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Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Katzenbach: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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gesund zu sein«, fügte
er hinzu. »Atmung, Herztöne, Sauerstoff- und Säuregehalt im Blut, alles normal.«
    »Nur dass
es aussieht wie ein Tierchen«, sagte die Gynäkologin. Die Stille wurde schwer. Wie
kannst du nur, dachte Barbara Flückiger, die sich mit der Oberärztin nicht besonders
gut verstand. Niemand widersprach. Beatrice erinnerte sich an ein Buch, das sie
kürzlich gelesen hatte, einen Thriller aus der Rechtsmedizin. Da war doch ein über
und über behaarter Mann vorgekommen, der den Fachleuten Rätsel aufgegeben hatte.
›Loup-Garou‹, hatte er sich genannt. Werwolf. Sie schauderte.
    »Jemand
muss mit den Eltern reden«, bestimmte Mathis. »Das Kind bleibt da. Ich versuche
herauszufinden, was das sein könnte.« Er schaute Barbara Flückiger und Regula Frey
an. »Legen Sie die Frau in ein Einzelzimmer, wenn sie auf die Abteilung gebracht
wird. Ich komme so bald als möglich.«
     
    Nadine Attinger weinte. »Warum sagen
Sie mir nicht, was mit meinem Kind ist? Wird es sterben? Ich möchte es bei mir haben.«
    »Es wird
nicht sterben«, wiederholte Regula Frey. »Es ist so weit gesund.«
    »Gesund?
Warum haben Sie mir es dann fortgenommen?«
    Stefan Attinger
sagte nichts. Er war genauso verwirrt wie seine Frau.
    »Es ist
etwas nicht ganz in Ordnung mit ihm, aber wir wissen noch nicht genau, was es ist«,
erklärte Barbara Flückiger noch einmal. »Es hat«, sie zögerte, »eine Art Geburtsgebrechen.«
    »Hat es
eine Behinderung?«, fragte Stefan. »Was für eine Behinderung denn? Das können Sie
uns doch sagen.«
    Nadine Attinger
wandte sich an ihren Mann. »Sie wollten mir zuerst nicht einmal sagen, ob es ein
Mädchen oder ein Junge ist.«
    »Ist sein
Geschlecht nicht eindeutig bestimmbar?«, wollte Attinger wissen. »Herrgott noch
mal, so sagen Sie es doch. Sie sehen ja, wie es meine Frau hernimmt.«
    Die Hebamme
schwitzte. Wenn nur Mathis bald kam. Frey war keine große Hilfe. »Nein, es ist ein
Mädchen, so weit ist alles ganz normal.«
     
    »Ambras-Syndrom«, murmelte Mathis.
Er saß im Stationszimmer der Gebärabteilung vor dem Computer. Neben ihm waren ein
paar Bücher aufgeschlagen, aber jetzt starrte er auf den Bildschirm. Er klickte
ein kleines Bild an, damit es sich vergrößerte, und betrachtete es. Ein vielleicht
achtjähriges Mädchen war darauf zu sehen, dessen lächelndes Kindergesicht von Haaren
überwachsen war. Mathis ging zum nächsten Bild. Ein junger Mann, Gesicht und Oberkörper
komplett mit dunklen Haaren bedeckt. Mathis rief eine andere Seite auf, las, machte
sich Notizen, druckte einige Seiten aus. Er schaute auf die Uhr, schloss den Browser
und ging hinaus. Das Neugeborene lag noch immer in der Reanimation, betreut von
Beatrice Meier. »Ich gehe jetzt zu den Attingers«, sagte er, »Sie können das Kind
in einer Viertelstunde hochbringen.«
     
    Nadine Attinger nahm nur Fetzen
auf von dem, was der Arzt erklärte. Sie fühlte sich erschöpft und gleichzeitig bis
zum Zerreißen angespannt, trotz des Beruhigungsmittels, das die Ärztin ihr verabreicht
hatte. Ambras-Syndrom, noch nie gehört, behaart, sie konnte sich nichts darunter
vorstellen. Ansonsten gesund. Äußerst selten. Zurzeit etwa fünf Kinder auf der ganzen
Welt. Kosmetische Verbesserungen. Von was redete er überhaupt? Sie wollte endlich
ihr kleines Mädchen im Arm halten. Luzia würde es heißen. Sie schaute zu Stefan,
und sein Blick, der an ihr vorbei auf den Arzt gerichtet war, riss sie in die Realität
zurück. Er wirkte, als habe man ihm eine schreckliche Nachricht überbracht. Die
Worte des Arztes begannen sich in ihrem Kopf zu Sätzen zusammenzufinden, zu einer
Botschaft. »Ich will mein Kind endlich sehen«, sagte sie scharf.
    Der Arzt
nickte. Er griff zum Telefon. Minuten später trat Beatrice Meier ins Zimmer, ein
in ein hellblaues Tuch gewickeltes Bündel im Arm. Mathis nahm es ihr ab. Kurz ging
ihm ein Bild durch den Kopf, die entsetzten Gesichter seiner Mitarbeitenden in der
Reanimation. Er legte das Baby der Mutter in den Arm. Sie stieß einen erschrockenen
Laut aus. Was ist das?, dachte sie, ein Kätzchen? Das ist – das kann doch nicht
mein Kind sein, mein kleines Mädchen, das neun Monate lang in mir gewachsen ist.
Die haben mir etwas untergeschoben. Fassungslos betrachtete sie das Gesichtchen,
die Händchen. Sie schob den Ärmel des Hemdchens zurück. Sie öffnete das Hemd und
sah das nackte Körperchen. »Das – das ist nicht Luzia«, murmelte sie. Sie fasste
das Kind, spürte seine feinen,

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