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Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Katzenbach: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Katzenbach: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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nichts davon gewusst, wie es aussah, wie es wirkte, dass es ganz anders war
als alle anderen Babys. Sein Leben hatte darin bestanden zu trinken, zu schlafen,
seine nächste Umgebung zu beschauen, die paar wenigen Menschen, die es schon kannte,
anzulächeln, zu schreien, wenn es sich unwohl fühlte. Auch Streiff war bei seinem
Anblick erschrocken. Ich muss mich unbedingt über diese Krankheit ins Bild setzen,
hatte er gedacht. Beim Anblick von toten Kindern musste er immer denken, dass sie
um ihr Leben betrogen worden waren, dass sie ein Leben verdient gehabt hätten, einfach
ein normales Leben mit Höhen und Tiefen, Freuden und Problemen, Erfolgen und Verletzungen,
und er empfand einen Anflug von Trauer, weil ihnen das genommen worden war. Bei
diesem Baby ging es ihm nicht anders.

Geburt
     
    Der Gebärsaal war in zarten Farben
gehalten. Durch die hellgelben Vorhänge schimmerte das Licht der nachmittäglichen
Frühlingssonne. Die Wände waren in einem etwas dunkleren Gelb gestrichen, Bettwäsche
und Handtücher waren hellblau, der Boden graublau. In der Mitte des Raums stand
eine ovale Badewanne, die mit warmem Wasser gefüllt war, daneben lehnte ein Medizinball.
Leise Klaviermusik war zu hören, eine weiche Männerstimme sang auf Italienisch dazu;
›Kuschelrock‹ stand auf der CD-Hülle, die neben dem Player lag.
    Das Geschehen
im Saal war alles andere als kuschelig. Eine Frau, etwa Mitte dreißig, verschwitzt,
mit gerötetem Gesicht und verklebtem dunklem Haar, klammerte sich, auf dem Gebärbett
halb sitzend, halb liegend, an ein maisgelbes Tuch aus festem Stoff, das an der
Zimmerdecke mit einem groben Haken befestigt war und herunterhing. Die Frau schrie.
Hebamme Barbara Flückiger redete ihr zu. »Bald haben Sie es geschafft, Frau Attinger.«
Die Frau ließ sich zurücksinken und probierte ein Lächeln, das ihr allerdings nicht
recht gelang. Sie schloss die Augen. Barbara legte ihr einen Moment die Hand auf
die Schulter. Was für die werdende Mutter ein dramatischer Moment war, der ihr alle
Kräfte abverlangte und sie völlig beherrschte, war für die Hebamme Routine. Alles
verlief im normalen Rahmen, es gab nichts, was sie beunruhigen musste. Flückiger
ging gegen Ende fünfzig, sie hätte nicht sagen können, wie vielen Kindern sie schon
auf die Welt geholfen hatte. Sie war eine große, kräftige Frau, die ihr ergrauendes
Haar zu einem Knoten gesteckt trug. »Tief atmen«, ermahnte sie die Gebärende. Im
Hintergrund war Eros Ramazzotti zu hören. Ihr Dienst dauerte noch drei Stunden.
Wahrscheinlich würde sie das Kind in dieser Zeit auf die Welt bringen können. Dann
musste sie einkaufen. Ich darf nicht vergessen, beim Schuhmacher vorbeizugehen,
ging ihr flüchtig durch den Kopf. Ihr Blick fiel auf Beatrice Meier, die Hebammenschülerin,
die heute zum ersten Mal bei einer Geburt dabei war. Sie hält sich nicht schlecht,
dachte Barbara, etwas unsicher halt, aber das ist normal. Beatrice war klein und
pummelig und voller Ideale. Flückiger registrierte amüsiert, wie sie versuchte,
sich fürsorglich zu geben, obwohl sie nervös und angespannt war. Sie wird es schon
lernen, dachte sie. Nadine Attinger atmete heftiger, es war wieder eine Wehe im
Anzug. »Ist Ihnen bequem so?«, fragte Barbara. »Oder möchten Sie sich in die Badewanne
legen?«
    »Es geht
schon«, keuchte die Frau, dann wurde sie von einer neuen Schmerzwelle zerrissen.
Beatrice Meier wischte ihr mit einem weichen Tuch die feuchte Stirn ab. Sie suchte
den Blick der erfahrenen Hebamme. Ist alles in Ordnung?, fragten ihre Augen. Barbara
Flückiger nickte. »Bald können wir Doktor Stocker rufen«, sagte sie leise. In der
letzten Phase der Geburt wurde jeweils ein Assistenzarzt gerufen, auch wenn der,
wenn alles normal verlief, nicht viel zu tun hatte. Beatrice war aufgeregt. Bald
würde es zur Welt kommen, das erste Baby, dem sie dabei half. Plötzlich würde ein
Mensch mehr im Gebärsaal sein, ein kleiner Mensch, den es zuvor noch nicht gegeben
hatte. Sie freute sich. Ob Frau Flückiger es ihr zum Halten geben würde? Ob sie
es der Mutter auf den Bauch legen durfte? War es wohl ein Junge oder ein Mädchen?
Würde es gesund sein? Bestimmt, die Mutter hatte Ultraschalluntersuchungen machen
lassen, auf denen man eine Behinderung oder Krankheit festgestellt hätte.
    »Gehen Sie
mal zum Vater raus«, sagte Barbara Flückiger, »sagen Sie ihm, alles sei in Ordnung
und es daure wahrscheinlich nicht mehr allzu lange.«
    Meistens
war der werdende Vater bei

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