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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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denken, jemand sei von dort eingestiegen. Vielleicht will er noch irgendwas mitgehen lassen, Geld oder eine der Plastiken, damit alles nach ’nem Raubmord ausschaut. Er denkt sogar noch an die Statue, will auch auf der ein paar Abdrücke hinterlassen, daher die verwischten Spuren. Doch da hört er, wie jemand nach Mira ruft. Er schleicht schnell ins Bad und klettert durchs Fenster, stößt sich in der Hektik aber an.«
    Lilian sah ihm genau an, dass er ihren Einwand, der jetzt kam, schon erwartete.
    »Wo hatte er denn die Plastikhandschuhe her? So was trägt man doch nicht mit sich herum – als Ballettintendant!«
    »Vielleicht hat er sie irgendwo in der Abstellkammer oder in der Küche gefunden. Auf jeden Fall müssen wir überprüfen, ob sein Leihwagen in der Nähe von Lenas Wohnung gesehen worden ist. Oder ob irgendein Taxi einen eleganten Herrn mit schottischem Akzent zur Tatzeit in den Roter-Brach-Weg kutschiert hat.«
    »Außerdem befragen wir noch einmal alle Hausbewohner. Einen so lautstarken Streit muss doch einer gehört haben.« Lilian kaute auf der Unterlippe. »Warum ist er noch am gleichen Abend zum Tatort zurückgekommen? Er musste doch damit rechnen, dass wir dann erst recht auf ihn aufmerksam werden.«
    »Warum wohl? Um herauszufinden, wer das gewesen ist, der ihn bei diesem getürkten Raubmord so unpassend überrascht hat. Und was dieser Jemand gesehen und gehört hat …«
     
    Sie war aufgeregt, schon jetzt. Dabei würde er sie erst um sieben Uhr abends abholen. Er hatte die Gaststätte zum Roten Hahn in der Altstadt vorgeschlagen. Woher kannte er sich nur so gut in Regensburg aus? Hatte Mira ihrem Cedric alle früheren Geheimtipps verraten? Seltsam, da sie doch Regensburg als Provinznest verachtet, sogar gehasst hatte. Immer schon hatte sie gesagt, hier bliebe sie nicht bis ans Ende ihrer Tage. Wie sehr sie sich doch getäuscht hatte.
    Lena hingegen liebte diese Stadt, in der sie beide geboren worden waren. Wie froh sie gewesen war, als sie dem zu engen Haus in Donaustauf endlich den Rücken hatte zuwenden können, um sich in ihren eigenen vier Wänden im Regensburger Westen niederzulassen. Diese Entscheidung hatte sie nie bereut, obwohl sie den Kredit für die Eigentumswohnung nur schwer finanzieren konnte. Aber bald würde alles anders werden.
    Was er nur von ihr wollte? Wenn er bloß wissen wollte, wann die Beerdigung war, dann brauchte er sie nicht zu einem kostspieligen Abendessen ausführen. Warum hatte sie seine Einladung überhaupt angenommen? Sie ging nicht gern aus. Diese vielen Menschen, das Gelächter überall – wie Nadelstiche bohrten sich die fröhlichen Stimmen durch ihren sorgsam errichteten Schutzwall aus Strenge und Unnahbarkeit. Doch schon durchflutete sie wieder diese plötzliche Wärme, die Erinnerung an seine Umarmung. Deshalb hatte sie Ja gesagt und nicht einen dringenden, wenn auch fingierten Termin vorgeschoben. Wie lächerlich! Er hatte sie nur deshalb an sich gedrückt, weil er gedacht hatte, sie sei Mira. Als ob dieser Mann Interesse an ihr hätte – ausgerechnet an ihr, der unscheinbaren Lena! Wie konnte sich jemand mit ihr zufrieden geben, der Mira gekannt hatte? Mit ihr, die sich am liebsten verkriechen würde, sobald man sie nur ansah. So wie damals auf der Wiese vor der Burgruine, alles so grenzenlos offen, ohne den Schutz der dicken Mauern. Auch keine Sicherheit wie bei den Bäumen in ihrer Höhle. Und doch hatte sie es geliebt, draußen im Licht zu stehen, sich einmal nicht verstecken zu müssen. Mira hatte sie ausgelacht, war ihr nachgelaufen, um die kleine Zwillingsschwester zu suchen und herauszuzerren. Die strahlende, große Mira, der es so leicht fiel, im Glanz zu bestehen. Einerseits war sie Mira dankbar, denn nur an ihrer Hand konnte Lena die Angst überwinden. Andrerseits wollte sie nicht hinaus, wollte in Ruhe gelassen werden. Warum verstand Mira das nicht? Auch nach all diesen Jahren war es nicht anders gewesen.
    Der Brief des Notars lag auf dem Schreibtisch. Lena hatte ihn am Morgen im Briefkasten gefunden, als sie auf dem Weg zur Arbeit bei ihrer Wohnung vorbeigefahren war. Die Leute von der Spurensicherung waren immer noch da gewesen. Sie nahm den Brief und las ihn wieder, wohl zum zehnten Mal. Der Notar erwartete sie am Montag um 10.30 Uhr. Ihre Eltern hatten den gleichen Brief bekommen. Sie würde die beiden mit dem Auto abholen, schließlich waren sie nicht mehr die Jüngsten. Ob sie auch bei Billy vorbeischauen sollten? Es wäre schön ihn

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