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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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mir sagte? ›Eines Tages, Papa, bin ich so berühmt, dass sie auch eine Büste von mir drinnen in der Halle aufstellen.‹ Dann lachten wir, alle drei. Aber jeder von uns wusste, dass Mira das ernst meinte.«
    Er strich sich über die Augen. Sie starrten ins Leere.
    »Was hat sie jetzt von ihrem Ruhm?« fragte er leise. »Von ihrem grandiosen Erfolg, der ihr so wichtig war? Für den sie immer nur geschuftet und gearbeitet hat.«
    Sicher nicht nur dafür, dachte Lilian. »Ich nehme an, Ihre Tochter hat viel Geld verdient.«
    »Am Anfang nicht, wie das bei Künstlern eben so ist. Aber in der letzten Zeit schon, klar. Bei diesen tollen Engagements in ganz Europa.«
    »Was passiert mit ihrem Erbe? Bekommen Sie das?«
    »Keine Ahnung. Über dieses Thema hab ich noch nicht nachgedacht. Mir reicht schon das ganze andere Tamtam. Gut, dass Lena mir da so viel hilft. Am Montag sollen wir zu einem Notar nach München fahren. Der wurde wohl von Miras Anwälten in London beauftragt, um ihr Testament zu vollstrecken. So sagt man doch, oder?« Er hörte sich unendlich müde an. »Das ist eine schlimme Zeit, wissen Sie. Jeder fragt, wie’s uns geht. Alle wünschen uns ihr aufrichtiges Beileid, und wenn wir was brauchen, dann sollen wir uns melden. Und wenn wir uns wirklich melden? Hilft uns dann auch nur ein Einziger? Und wie soll’s uns schon gehen? Ich trau mich gar nicht mehr zum Einkaufen.«
    Sein Schmerz traf sie. Lilian schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie legte eine Hand auf seine Schulter, um ihm wenigstens ein bisschen Trost zu spenden. Dankbar drückte er diese.
    Sie ließ den Blick über die Flusslandschaft schweifen. Fast fühlte sie sich so, als würden sie die Millionen und Abermillionen Wassertropfen dort unten auf eine Reise einladen. Doch sie wollte nicht weg. Denn hier hielt sie viel – und nach der letzten Nacht umso mehr. Sie war glücklich. Obwohl sie wieder in die Privatsphäre anderer Menschen eindringen musste, so wie jetzt. Und obwohl sie sich irgendwann in den frühen Morgenstunden davon geschlichen hatte, leise, ganz leise, um David nicht zu wecken, und sich weder auf einen Guten-Morgen-Kuss noch auf ein gemeinsames Frühstück eingelassen hatte. Sie frühstückte sowieso nie richtig. Und heute hätte sie erst recht keinen Bissen hinuntergebracht. Denn in ihrem Bauch schienen Ameisen zu krabbeln und Schmetterlinge zu flattern, es wuselte, wallte und wirbelte. Kein Wunder – sie liebte und wurde geliebt. Ein schöneres Gefühl gab es nicht. Zumindest nicht für sie, die sich jahrelang dagegen gewehrt hatte. Natürlich fand sie diese vor Herzschmerz triefende Romantiksucht in Film und Fernsehen und sämtlichen Zeitschriften noch genauso kitschig wie vor der gestrigen Nacht und sie wusste auch genau, dass sie nie ein Foto von David in einem herzförmigen Bilderrahmen neben ihr Bett stellen würde. Doch die herrlich himmelblauen Wolken, die sie alle zehn Minuten in ein Traumland entführten, würde sie nicht davonblasen. Erst recht nicht in diesem Moment, als sich auf einmal ein gleißend heller Sonnenstrahl durch den schiefergrauen Himmel wagte. Er fiel direkt auf die Walhalla. Wie ein leuchtendes Juwel thronte sie jetzt auf dem Bräuberg, hoch oben über der Donau, hinter sich die sanft ansteigende Bergkette des Bayerischen Waldes, vor deren gedeckten Farben sie sich in ihrem Glanz noch mehr abhob.
    »Mira war so voller Schwung, konnte jeden mitreißen und begeistern«, sagte Werner Zolnay unvermittelt. »Doch manchmal war es nicht auszuhalten, sie erdrückte alle in ihrer Nähe. Und wehe, man tat nicht genau das, was sie wollte.«
    Lilian blinzelte, schloss sogar die Augen. Die plötzliche Helligkeit der weißen Mauern unter dem grünen Kupferdach war zu gewaltig.
    »Wie kam Lena damit zurecht? War es nicht schwer für sie, immer im Schatten ihrer Schwester zu stehen?«
    »Sie stand nicht in Miras Schatten. Lena hat ihre eigene Welt – und auch das gleiche Feuer wie Mira. Nur bei ihr drückt sich das anders aus. Und ob Sie’s glauben oder nicht – manchmal sehnte sich auch Mira nach dem Wald.«

10
    Der Kollege beim LKA hatte Wort gehalten. Er hatte alles andere zurückgestellt und die Aktstatue mit absoluter Priorität behandelt. Die Blutspuren sowie die Gewebereste stammten eindeutig vom Opfer selbst, die Fingerabdrücke von zwei Personen: Mira Scheidt und Lena Zolnay. Auch eineiige Zwillinge hatten verschiedene Fingerabdrücke, wie der Spezialist in einem gesonderten Absatz ausführte.

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