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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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wiederzutreffen. Sie hatten viel gelacht, früher. Seine Statue hielt sie in Ehren, sie war die Erste in ihrer Sammlung gewesen. Billy hatte diese Leidenschaft in ihr geweckt – für das Verborgene im Offensichtlichen, für den Reiz im Sich-Öffnen, für die Reinheit zweier Seelen, die sich nur auf einer körperlichen Ebene begegnen können.
    Warum hatte er sie dann so verletzt? Ihre Ehrlichkeit und zarten Hoffnungen mit Füßen getreten? Doch sie hatte ihm schon lange verziehen. Zumindest ihm.
    Julian, ihr Chef, erinnerte sie manchmal an Billy. Sie hatten die gleiche Sorgfalt, die gleiche Behutsamkeit, mit der sie die Welt betrachteten. Nur jeder verbarg das hinter anderen Mechanismen. Billy hatte seinen Sarkasmus und das Bier, Julian blieb nur sein Prestige und die Arbeit. Aber das erstaunte sie nicht – bei einer Mutter, die einfach verschwunden war, um in einer anderen Stadt als Schauspielerin unterzukommen, und ihren vierjährigen Sohn beim Großonkel zurückgelassen hatte. Ohne Kleidung, Geld oder sonstige Vorsorge, von der bitter nötigen Mutterliebe ganz zu schweigen, wo schon kein Vater da gewesen war. Wie sollte ein gehbehinderter Rentner damit zurecht kommen? Einmal hatte Julian ihr erzählt, wie er bei den Nachbarn Fleisch aus dem Kühlschrank gestohlen hatte, um endlich wieder etwas Richtiges zu essen zu haben. Natürlich hatte der alte Mann getobt, als er dem Bengel dahinter gekommen war, und ihm befohlen, die Sachen auf der Stelle zurückzugeben. Er war ein ehrlicher Mann und das wollte er auch bleiben, waren seine Worte. Gut, dass er nicht erfahren hatte, wie Julian später sogar Geld geklaut hatte.
    Bei Billy war sich Lena nicht sicher. Sie wusste, dass er aus gutem Hause kam. Ob er mehr aus seinem Leben gemacht hätte, wenn er den Zwillingen nicht begegnet wäre?
    Vorher war wieder die blonde Polizistin da gewesen. Die war eigentlich ganz nett, obwohl sie immer so ernst schaute. Dieses Mal hatte sie Verstärkung mitgebracht, einen Kommissar mit grimmiger Miene, gestyltem Haarschnitt und wunderschönen blauen Augen. Nur das karierte Holzfällerhemd aus der Mottenkiste passte nicht dazu. Wie ihre Fingerabdrücke auf die Statue kämen, hatten sie gefragt. Na, wie wohl? Immerhin gehörte sie ihr. Und warum waren die von Mira drauf? Weil Mira sie hin und wieder in Hand genommen habe, war Lenas Antwort gewesen. Sie hatten ihr nicht geglaubt. Wie Miras Abdrücke wirklich drauf gekommen waren, hatte sie trotzdem nicht gesagt. Und auch nicht, was passierte, wenn man die Kontrolle verlor.
     
    Hanna stand am Herd und rührte eine Soße. Es duftete nach Knoblauch und Tomaten. Sie trug ihren alten, verwaschenen Jogginganzug.
    »Heute gar nicht in Schale? Bleibst du zur Abwechslung mal zu Hause?« So spitz hatte Lilian das gar nicht sagen wollen.
    Keine Reaktion.
    Lilian war erleichtert. Also hatte Hanna gar nicht gehört, was sie anstelle einer Begrüßung von sich gegeben hatte. Wie kindisch sie war. Sie gebärdete sich wie ein vernachlässigter Ehemann der typisch engstirnigen Sorte, der spätabends nach Hause kommt und seine Frau anblafft, weil sie schon wieder weg will. Hätte nur noch gefehlt, dass sie sich beschwert hätte, weil das Essen noch nicht auf dem Tisch stand.
    »Hallo, Lilian. Die Kinder sind im Wohnzimmer und machen ein Puzzle.«
    »Ich geh gleich rüber.« Lilian schnappte sich ein Stück Gurke aus der Salatschüssel. »Dann helf ich dir.«
    »Vorher haben sie gestritten.«
    »Wegen was?«
    »Wegen nichts. Weil Streiten eben Spaß macht, und sie meine Nerven damit so wunderbar strapazieren können.«
    Das hörte sich nicht gut an. Genauso wenig wie das Zittern in Hannas Stimme. »Dann hast du jetzt gleich frei und ich mach hier weiter.«
    Lilian wollte Hanna den Kochlöffel aus der Hand nehmen, doch die ließ ihn nicht los. »Lass mal, Lilian. Geht schon wieder. Außerdem bin ich zurzeit etwas empfindlich.« Ein tiefes Seufzen.
    Lilian fragte sich, warum Hanna unbedingt noch ein Kind wollte, wenn sie mit den vorhandenen, die immerhin schon artikulieren konnten, was sie wollten, nicht einmal zurecht kam. Doch sie hütete sich, das laut auszusprechen. Nicht nur, weil sie genau wusste, wie Hanna reagiert hätte. Auch deshalb, weil das geradezu gönnerhaft, wenn nicht sogar unverschämt gewesen wäre. Mutierte sie selbst zu einer der unangenehmen Vertreter der Gattung Homo sapiens? Den ganzen Tag außer Haus und dann kluge Sprüche klopfen? Immerhin verbrachte Hanna den größten Teil des Tages

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