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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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Moment je vergessen? Sie hatte geheult und gezittert, hatte wüste Verwünschungen gegen Stefan und ihren Vater ausgestoßen, weil sich der untreue, hinterhältige Ehemann mit dem noch hinterhältigeren Vater verbündete. Betrogen von allen, mit einem Neugeborenen im Arm, ohne gesicherte Versorgung war sie zu ihm gewankt, ihrem Freund seit Kindertagen – zu wem sonst? Wie immer hatte er ihr zugehört, ihr Trost gespendet, Mut zugesprochen. Nur diesen verdammten Kuss hätte er ihr nicht geben dürfen.
    »Aber du bist doch auch Hannas Freund.« Sie schenkte ihm nach. »Was dich nicht davon abhält, mit ihr ins Bett zu steigen. Seit wann geht das schon?«
    Glitzerte da Eifersucht in ihren Katzenaugen?
    »Das kann man ja wohl nicht vergleichen. Hanna kenne ich seit sechs, sieben Jahren – dich kenne ich, seit du zwölf bist. Manchmal fühle ich mich fast so, als wäre ich so etwas wie ein Vater für dich.«
    Gut, dass sie nicht wusste, wie sehr er mit sich gekämpft hatte. Zu gern hätte er damals mehr getan, als sie nur zu küssen.
    »Und wie stellst du dir das sonst vor? Schläfst du auch noch mit ihr, wenn das Kind gezeugt ist? Wenn es auf der Welt ist?«
    Sie war tatsächlich eifersüchtig! Sein Herz machte einen Sprung. Nein, halt – das bildete er sich nur ein. Aber jetzt wusste er, wie es sich anfühlte, falls es das je tun sollte.
    »Jetzt mal halblang. Hanna hat mich gebeten, ihr meine Dienste für ein halbes Jahr zur Verfügung zu stellen. Wenn es nicht klappt, dann vergessen wir’s.«
    Eigentlich schade. Hanna rangierte zwar in der Reihe ›gute Freundin‹, der er nach reiflicher Überlegung und sorgfältigem Abwägen sämtlicher Für und Wider wirklich nur einen Gefallen tat. Aber im Bett war sie auch nicht zu verachten. Allerdings wusste er, dass so etwas auf Dauer nur Probleme mit sich brachte – und nicht nur mit Lilian.
    »Weißt du eigentlich, du … Samenspender du, dass Hanna bis über beide Ohren in dich verliebt ist?«
    Er nickte ernst. »Das war nicht eingeplant.«
    »Und du – du auch in sie?«
    »Bis jetzt noch nicht.«
    Das war sogar ehrlich.
    »Aha.«
    War dieser feine Ton, den er zu hören glaubte, ein Aufatmen?
    »Und falls es klappt, wie soll es dann weitergehen?«
    »Nicht anders als jetzt. Ich helfe, wo ich kann, springe ein, wenn’s nötig ist – egal, ob für das Baby oder für Hanna. Oder für dich.« Er dachte an Hannas aufgebrachte Worte. »Und einziehen will ich bestimmt nicht bei euch.«
    Sie sah so aus, als ob sie nicht wüsste, ob sie ihm wirklich glauben konnte.
    »Lilian, Hanna hat ein Trauma. Es sitzt sehr tief. Sie will unbedingt ein Kind, immer noch. Und nur wenn sie eins bekommt, kann sie den Tod des anderen Kindes überwinden, das sie nach Rainers tödlichem Unfall verloren hat.«
    Er wollte nicht zu sehr fachsimpeln, aber das musste sie doch verstehen. Er hatte es sofort verstanden.
    »Du opferst dich also. Wie edel von dir.«
    »Ich betrachte es als Freundschaftsdienst. Das würde ich für jede Frau tun, die mir so nahe steht wie Hanna.«
    War es ein Fehler, so etwas zu sagen?
    »Auch für mich?«
    Es war ein Fehler.
    »Du bist eine intelligente Frau, Lilian. Soll ich dir wirklich noch mal erklären, warum du ein Sonderfall bist?«
    »Sagst du mir auch die Wahrheit, du bemitleidenswertes Opferlamm? Verschmähst du mich nur deshalb, weil dich sonst dein verdammter Ehrenkodex auffressen würde?«
    »Ich schwöre es, hoch und heilig.«
    Das war tatsächlich die Wahrheit. Bloß nicht die ganze.
     
    So hatte sie Julian noch nie gesehen. Fast hätte sie ihn nicht erkannt. Schaftstiefel bis übers Knie, gefleckte Lederhose, zerschlissenes Rüschenhemd, Augenklappe, übergroßer Goldohrring, ein Krummsäbel und eine altmodische Pistole, die in seiner Samtschärpe steckten – der perfekte Seeräuber. Sein Drei-Tage-Bart war echt, die Narbe aufgemalt, das ausgefranste Tuch über den Haaren verlieh ihm eine verwegene Note.
    Lena musste an das Fleisch im Kühlschrank denken – und an das geklaute Geld. Ob er Letzteres je zurückgegeben hatte? Sie nahm sich vor, ihn später danach zu fragen, in einer ruhigen Minute. Aber das würde schwer werden. Auf dem Jazzer Faschingsball im Leeren Beutel hatte sich halb Regensburg versammelt, zumindest jener Teil, der Lust auf originelles Verkleiden hatte. Golden glänzende Gladiatoren und drei von Ali Babas vierzig Räubern, zwei wagemutige American Dream Boys mit rasiertem Oberkörper und unverkennbarem Dialekt aus der tiefsten

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