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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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ist auf die Idee gekommen, dass das keine Verkleidung war.«
    »Hilf mir mal, Hanna. Ich komm grad nicht mit.«
    »Na, die Ballerina im Leeren Beutel, die mit der vielen Spitze und dem Tüll. Die war nicht kostümiert, die war echt.«
    »Welche Ballerina?«
    »Die weiße, die mit dem Engel. Der Engel kam mir übrigens auch so bekannt vor. Die waren ganz schön angeheitert, die zwei.«
    »Der Engel war Larissa Gregori, die Agentin von …« Lilian vergaß die Semmel inklusive Marmelade. »Dann war die Balletttänzerin also eine richtige Ballerina?«
    »Gut aufgepasst. Eine russische sogar, die Primaballerina vom Nussknacker. Sie tanzt heute Abend im Stadttheater. Die war neulich im Fernsehen als Julia, weißt du nicht mehr?«
    Vielleicht sollte Lilian doch mehr fernsehen, dann wäre sie besser informiert. So etwas wie Reue über verpasste Gelegenheiten überfiel sie. Und ein anderes Gefühl, das einer tiefen Enttäuschung. Cedric Ormond hatte sie belogen. Sie erinnerte sich an seine Worte: ›Ich habe nichts zu verbergen‹ und ›Wo finde ich eine zweite Mira?‹ Offenbar hatte er sie schon gefunden. Larissa hatte ihm dabei geholfen und die Botengänge erledigt. Deshalb war sie nach Miras Tod nach Regensburg geflitzt, anstatt nach London zurückzufliegen. Beide wohnten im Sorat Hotel, dort mussten sie diesen Plan ausgeheckt haben. An dem Morgen, als Lilian Larissa vor dem Hotel fast angefahren hätte, war diese bestimmt auf dem Weg ins Stadttheater gewesen, wo das Gast-Ensemble aus Russland probte. Lilian wusste, dass sie richtig lag. Es war nur eine Formsache alles nachzuprüfen. Cedric hatte es nicht einmal der Mühe für wert befunden, so etwas wie Trauer vorzutäuschen, als er Miras Leiche gesehen hatte. Sogar auf einen öffentlichen Faschingsball wagte er sich, wahrscheinlich um dem Vertragsabschluss mit der russischen Primaballerina einen gebührenden Rahmen zu verleihen. Es hatte ihm gut in den Kram gepasst, seine egozentrische Berufs- und Lebenspartnerin loszuwerden. Jetzt war alles einfacher, für Larissa und für ihn.
    Die Frage war nur – wer hatte dafür gesorgt?
     
    Das Bett neben ihm war leer. Wo steckte sie?
    Cedric richtete sich auf. Sein Kopf fühlte sich schwer an, er hatte zu viel getrunken. Während sie am vergangenen Abend die Requisitenkammer des Theaters nach geeigneten Kostümen durchwühlt hatten, hatten sie eine Flasche Sekt nach der anderen geleert. Dann hatte Larissa den Wodka hervorgezaubert. Die beiden Damen aus Russland waren trinkfest. Natalja Waranowa war in hysterisches Gelächter ausgebrochen, als sie sich schließlich für ein prunkvolles Ballettkleid entschieden hatte – was für ein Geniestreich. Niemand würde sie erkennen, sagte sie mindestens zehnmal. Bereits da hatte er sich gefragt, ob Larissas Idee mit ihr als Partnerin so glorreich gewesen sei.
    Er strich über das Laken, es war noch warm. Weit konnte Lena nicht sein, vielleicht im Bad?
    Das Badezimmer war leer, der Balkon auch. Aber da draußen war es ohnehin zu kalt. War sie gegangen, ohne ein Wort? Doch wohin? Das Katzenkostüm war fort. Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, frische Kleider anzuziehen. So eilig hatte sie es gehabt.
    Lena war eine ungewöhnliche Frau. Unnahbar, verschlossen, in manchen Situationen aber voll ungeahnter Energie. Er hatte geglaubt, dass sie ganz anders als Mira wäre. Doch jetzt war er sich nicht mehr sicher.
    Er zog sich an und verließ das Hotelzimmer. Es hatte keinen Sinn zu warten. Wenn sie Mira auch nur im Geringsten ähnlich war, dann konnte es Tage dauern, bis sie sich wieder zeigte.
    Auf dem Gang begegnete ihm der Zimmerservice. Ob man ihn erkennen würde? Der Nachtportier hatte ihn auch gesehen, als er und Lena spät in der Nacht den Schlüssel geholt hatten. Dann wäre es am besten, gleich in die Offensive zu gehen.
    »Entschuldigen Sie, junger Mann. Haben Sie zufällig die Dame von Zimmer 34 getroffen?«
    »Ja, die ist vorher in den Aufzug rein, als ich raus bin. Sie wollte nach oben.«
    Cedric stieg in den Lift. Oben war nichts mehr, nur eine Tür, die nach draußen führte. Daneben ein Schild mit der Aufschrift ›Dachterrasse‹. Was wollte sie da? Vorsichtig spähte er durch die Glasscheiben. Dann sah er sie. Eine Katze zwischen den feinen Schneeflocken, die der Morgenhimmel nach unten schickte, auf eine Erde, die nie die Vollkommenheit dieser Kristalle erreichen würde. Doch das, was er jetzt erblickte, war die Vollendung selbst.
    Lena tanzte. Wie ein Wirbelwind,

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