Katzenhöhle
geschenkt.
»Es geht mir gut. Alles paletti.«
»Schön. Das freut mich. Und wie geht es deiner Tochter?«
»Miriam geht’s auch gut.«
»Schön. Sag mal, ich … Äh, wie ist denn das Wetter bei euch?«
Hatte er sie deshalb angerufen? ›Frag doch Viktor, deinen Informanten,‹ wollte sie ihn schon anfauchen. Aber sie beherrschte sich.
»Nicht besonders, ziemlich matschig. Du weißt ja, wie es bei uns im Februar ist. Und bei dir in der Toskana?«
Mist, das hatte sie gar nicht fragen wollen. Am Ende dachte er noch, das interessierte sie.
»Herrlich blauer Himmel, die Sonne scheint, schon ganz erträglich warm, so um die dreizehn, vierzehn Grad. Sag mal, Lilly … Entschuldige, das sollte ich ja nicht sagen. Also, Lilian, hättest du mal wieder Lust zum Reiten?«
Ihr Herzschlag hatte sich gerade ein wenig beruhigt. Warum fragte er sie jetzt ausgerechnet so was?
»Papa, ich bin seit über zwanzig Jahren nicht mehr geritten.«
»Weiß ich. Seit dem Tod deiner Mutter, um genau zu sein. Damals hast du auch mit dem Ballett aufgehört.« Pause. »Würdest du nicht mal gerne wieder auf einem Pferd sitzen und durch die Wälder galoppieren? Es würde dir gefallen, hier bei uns. Der Duft nach einem Regen ist einfach unbeschreiblich. Und meine Pferde sind sehr ausgeglichen, viel ruhiger als die, die wir früher hatten, am Chiemsee. Weißt du noch, wie Scirocco einmal mit dir durchgegangen ist? Damals bist du in diese dumme Hecke gefallen und hast dir lauter blaue Flecken geholt. Ich hatte solche Angst um dich, dachte schon … egal. Auf jeden Fall würde dir das hier nicht passieren, glaub mir. Ich wette, du würdest dir Rebecca aussuchen. Sie hat einen so weichen Galopp und …«
»Papa, was willst du? Hast du mich angerufen, um mir vom Wetter und von deinen Pferden zu erzählen?«
Es waren neun blaue Flecken gewesen, die hatte sie immer wieder gezählt. Jeden Morgen und jeden Abend, mindestens eine Woche lang, genervt von der schmierigen Salbe, die der Papa ihr hartnäckig darüber gestrichen hatte. Scirocco war nicht schuld gewesen, dieser blöde Bauer mit seinem Traktor hatte einfach nicht aufgepasst.
»Nein.«
»Was dann? Willst du mich fragen, ob ich was dagegen habe, wenn du meinem Ex-Mann das Anwesen am Chiemsee überschreibst?«
»Nein. Außerdem weißt du, das ich das nie tun würde.« Er klang traurig. »Ich rufe dich aus zwei Gründen an.«
»Ich höre.«
»Erstens: Ich würde mich freuen, wenn du mich besuchen kämst, mit Miriam. Es ist wunderschön hier. Und es würde euch gut tun.«
Fast sah sie die Fotos vor sich, die Viktor ihr gezeigt hatte: ein großes Haus aus hellen Steinen, fast schon ein Palazzo, von Rosen und Wein umwuchert, davor Obst- und Feigenbäume, hinter den Olivenhainen endlose Weinberge, in den Wäldern alte Korkeichen und knorrige Kastanien. Und die Sonnenstrahlen, die den Morgendunst zerteilten …
»Nein, Papa, wir kommen nicht. Und zweitens?«
»Schade. Das habe ich befürchtet. Zweitens wollte ich dir von den warmen Quellen erzählen.«
Was sollte denn das jetzt wieder?
»Wir haben sie bei den Pferdekoppeln gefunden. Hier bei uns in den Bergen ist das ungewöhnlich. Man würde sie weiter im Norden erwarten, aber nicht hier.
Stell dir vor, Lilly – warmes Wasser. Vielleicht interessiert dich das ja.«
Sie dachte an das Wasser im Chiemsee. Immer war es eiskalt gewesen. Auch das Wasser in dem kleinen Bach, der aus den Alpen kam und hinter dem Haus ihrer Eltern vorbeiführte, hatte sie als deutlich zu frisch in Erinnerung behalten. An einem heißen Sommertag hatte sie sich zwar überwinden können, die Füße vom Steg aus hineinzustrecken. Aber einzutauchen ins kalte Nass, das hatte sie selten über sich gebracht. Ihrer Mutter hatte das nichts ausgemacht, da war sie gar nicht die feine Dame gewesen, die sie sonst immer verkörperte.
»Was sagst du dazu?«
Warmes Wasser – was für eine Wohltat. Zehen, Füße, Unterschenkel, Knie, endlich keine kalten Beine mehr. Das schaffte sie sonst nur, wenn sie joggte oder wenn sie Liebe machte.
»Hört sich gut an.«
»Ich dachte mir, dass dir das gefällt.« Seine Stimme wurde weich. »Das ist ein Zeichen, glaub mir. Bitte komm, Lilly. Ich möchte dich wiedersehen. Wir sollten über alles reden, von damals. Über deine Mutter und … und über Stefan, deine Tochter, über mich – und über dich.«
Sie sagte nichts. Wollte nur seine Stimme hören. So wie früher, wenn er sie in den Schlaf gesungen hatte, nachdem die Mama
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