Katzenjammer
Frau des jungen Stallmeisters hat vor einiger Zeit ein Baby bekommen, das hat aber ganz schön lange gedauert, bis es fertig war. Also, bestimmt den ganzen Winter lang und das Frühjahr noch dazu.«
»Das Tierarzt-Kind war schon fertig, bevor Marc mein Frauchen Carolin kennengelernt hat.«
»Ach?« Charlotte bleibt schon wieder stehen und mustert mich.
»Ja. Marc ist nämlich ein gebrauchter Mann«, füge ich mit wichtiger Miene hinzu. »Das heißt, er hatte schon mal eine Frau, und von der stammt das Kind. Luisa, sehr nett.«
»Und was ist jetzt mit der alten Frau? Wohnt die auch bei euch, oder was habt ihr mit der gemacht?«
»Nein, die wohnt natürlich nicht bei uns. Menschenpaare bestehen doch immer nur aus zwei Leuten. Glaube ich jedenfalls. Dass ein Mann mit zwei Frauen zusammenlebt oder eine Frau mit zwei Männern, habe ich noch nicht gehört. Die alte Frau wohnt irgendwo anders. Aber neulich war sie da und hat ganz schön Ärger gemacht. Ich dachte schon, sie will Luisa klauen. Wollte sie dann aber doch nicht.«
»Vielleicht will sie eher den Tierarzt klauen?« Charlotte stellt da eine interessante neue Theorie auf. »Wenn er ihr mal gehört hat, will sie ihn doch womöglich zurückhaben.«
Könnte das sein? Es würde zumindest erklären, warum Carolin so sauer über den ganzen Vorfall war. Aber wie klaut man einen Mann? Marc ist mindestens einen Kopf größer als diese Sabine – ich glaube nicht, dass sie kräftig genug wäre, Marc aus unserer Wohnung zu schleifen. Luisa hätte sie raustragen können, aber Marc? Keine Chance.
Wir kommen am Schlossportal an, und Charlotte hüpft sehr beschwingt die Stufen zum Eingang hinauf. Die schweren Türen zum Innenhof stehen auf, was tagsüber immer so ist. Ich merke, dass sich in meiner Nase ein leichtes Kribbeln ausbreitet, denn mit dem Geruch kommt auch die Erinnerung: an eine unbeschwerte Kindheit voller Abenteuerlust, an Abende, die Opili mit Geschichten über Kaninchen und Wildschweine füllte – und an meine Mutter. So schnell ich kann, laufe ich hinter Charlotte her, quer über den Innenhof, durch die nächste Tür, Stufen hinauf und hinunter.
Kurz darauf landen wir im kleinen Salon, der eigentlich nichts weiter als ein schmuckloser Aufenthaltsraum neben der Küche ist. Hier steht das große Hundekörbchen, in dem Charlotte und ich die ersten Wochen mit unserer Mutter verbracht haben. Eigentlich ist es eher eine große Kiste, die mit dicken Wolldecken ausgelegt ist. Ich erinnere mich noch sehr gut an den ersten Ausflug. Aufgeregt und auf ziemlich wackeligen Beinen, erkundeten Lotti und ich den gesamten Salon. Er kam mir damals riesig vor, und nach einiger Zeit war ich so erschöpft, dass ich kaum noch laufen konnte. Schließlich hob mich Mama sanft am Nacken auf und trug mich wieder in die Kiste. Wenn ich bedenke, wie klein mir der Salon heute vorkommt, kann ich kaum glauben, dass der Rückweg von der Tür zur Kiste damals zu anstrengend für mich war.
Jetzt allerdings ist die Kiste leer, von meiner Mutter keine Spur. Ich drehe mich zu Charlotte.
»Wo ist sie denn?«
Charlottes Schwanzspitze zuckt. »Tja, dann ist sie wohl wirklich noch beim Trimmen. Wollen wir hier warten oder nach ihr sehen?«
»Wer weiß, wie lange Marc noch mit von Eschersbach spricht. Lass uns lieber zu ihr flitzen, sonst verpasse ich sie am Ende noch.«
In diesem Moment öffnet sich die Tür zur Küche.
»Carl-Leopold! Nein, ist das schön, dass du uns mal wieder besuchst!« Emilia! Ihre Stimme würde ich jederzeit unter tausenden erkennen. Sie ist für eine Frau sehr dunkel und klingt fast so, als würde Emilia singen, auch wenn sie nur spricht. Sofort renne ich zu ihr und springe an ihr hoch.
»Ja, mein Braver, du freust dich auch, nicht? Warte mal, ich hole etwas Leckeres für dich.« Es ist eindeutig von Vorteil, mit der Köchin befreundet zu sein!
Als Emilia wieder auftaucht, hat sie ein kleines Schälchen in den Händen, das sie mir direkt vor die Nase stellt. Lecker! Pansen und Herz! Sofort schlinge ich los. Ich liebe meine Schwester zwar sehr, aber dies ist eindeutig mein Willkommensgeschenk. Zwei Sekunden später steht Charlotte neben mir und schmollt.
»Hey, kein Wunder, dass du zugenommen hast! Hättest mir ruhig etwas abgeben können.«
Ich ignoriere diesen Einwand und schlinge hastig das letzte Stück Herz hinunter. Abnehmen kann ich immer noch, und vielleicht kommen auch irgendwann mal schlechte Zeiten. Dann bin ich gewappnet.
»Hast du denn deine Mutter
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