Katzenjammer
krank, das geht ja oft Hand in Hand. Und vielleicht hatte er am Ende auch gar keine Lust mehr auf sein Hundeleben. Könnte doch sein.«
Ich schüttele entschieden den Kopf.
»Man merkt, dass du Opili nicht kennst. Er war total fit. Ein Klassehund. Immer gut drauf und voller Ideen. Lustlos ? Das Wort gab es für ihn gar nicht.«
»Mein lieber Herkules, abgesehen davon, dass niemand immer gut drauf ist, und sei er noch so jung, muss ich dir leider sagen, dass das Älterwerden nicht immer das reine Vergnügen ist. Ich merke es doch an mir selbst. Was war ich früher für ein tollkühner Kater. Und heute? Liege ich gerne mal den ganzen Tag bei Nina auf dem Fensterbrett und lausche andächtig, wenn sie wieder ein paar arme Verwirrte vor dem Wahnsinn rettet. Herkules, glaube mir, das ist nix, wenn man alt wird. Du wirst es schon noch sehen.«
Jetzt bin ich ernsthaft besorgt. Will mir Herr Beck damit etwa sagen, dass er keine Lust mehr hat, mit mir durch die Welt zu streifen? Opili ist die eine Sache – aber wenn Beck nun auch schwächeln sollte … Der ist doch noch gar nicht so alt, oder? Was würde ich bloß ohne ihn machen?
»Geht es dir nicht gut?«, will ich von Herrn Beck wissen.
»Doch, es geht mir gut. Aber ich bin nicht mehr der Jüngste. Ich renne nicht mehr jeder dummen Maus hinterher. Das ist mir viel zu anstrengend geworden. Und ich brauche mehr Ruhe als früher, mehr Erholung. Gestern war es zum Beispiel so laut in der Wohnung über uns, dass ich tagsüber nicht richtig schlafen konnte. Das merke ich heute. Ich bin ziemlich schlapp.«
»Also geht es dir schlecht?«
»Nein. Wie ich schon sagte: Ich bin nur schlapp.«
Da kommt mir eine Idee. »Aber du würdest mir Bescheid sagen, wenn es dir mal nicht so gut geht, oder?«
Beck guckt erstaunt. »Warum?«
»Na ja, ich dachte, wo ich doch gewissermaßen an der Quelle sitze …«
»An welcher Quelle? Vertickst du illegale Dopingmittel für Katzen?«
»Was?« Wovon redet der Kater?
»Ach, nur ein Scherz. Nein, ich frage mich nur, wie du mir helfen könntest, falls es mir mal schlecht gehen sollte.«
»Du sagst mir Bescheid, und ich informiere Marc. Und der hilft dir dann. Also, bevor die unsensible Nina etwas merkt, nehmen wir die Sache doch lieber selbst in die Hand.«
»He! Nina ist nicht unsensibel! Sie ist eine tolle Frau.«
»Das sind ja ganz neue Töne! Ich dachte immer, du …« Weiter komme ich nicht, denn in diesem Moment übertönt ein ohrenbetäubendes Hämmern alle weiteren Geräusche. Beck rollt sich auf den Rücken und stöhnt.
»O nein! Jetzt geht das schon wieder los. Ich werde noch verrückt.«
»Was ist denn das? Über euch wohnt doch niemand mehr«, wundere ich mich.
»Die Wohnung bleibt aber nicht leer, Herkules. Da ziehen natürlich neue Menschen ein. Und die haben offenbar vor, dort keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Schrecklich!«
Das findet offenbar auch Nina, die in diesem Moment mit den Worten Jetzt reicht es mir! an der offenen Wohnzimmertür vorbeischießt und zur Wohnungstür rennt. Irgendetwas sagt mir, dass wir gleich Zeugen einer handfesten menschlichen Auseinandersetzung werden. Ich krieche unter dem Tisch hervor.
»Mann, wo willst du denn hin, Kumpel?« Herr Beck kann sich offenbar nicht aufraffen, seinem Frauchen zu folgen.
»Na, vielleicht braucht Nina Hilfe? Wenn du Recht hast und die Menschen über euch wirklich keinen Stein auf dem anderen lassen, dann sind sie möglicherweise gewaltbereit. Da ist es immer gut, einen Jagdhund an seiner Seite zu haben. Mit schlappen Katern ist das allerdings so eine Sache. Du bleibst mal besser unter dem Tisch liegen, um dich kann ich mich in so einer Krisensituation nicht auch noch kümmern.«
Herr Beck macht ein Geräusch, das wie PPFFF klingt, und taucht kurz darauf neben mir auf. Gemeinsam laufen wir in den Hausflur. Nina steht schon oben vor der Tür und klingelt Sturm. Als wir nach den letzten Treppenstufen um die Ecke biegen, kommen wir gerade im richtigen Moment: Die Türe öffnet sich, dahinter steht ein junger Mann mit wild in alle Richtungen abstehenden hellen Haaren. Ehe er es sich noch versieht, schreit ihn Nina auch schon an.
»Was fällt Ihnen eigentlich ein, hier stundenlang das ganze Haus zu tyrannisieren? Ich habe Patienten – soll ich jetzt meine Praxis wegen Ihnen dichtmachen?«
Der junge Mann tritt einen Schritt zurück und mustert Nina interessiert von oben bis unten. Dann lächelt er. »Nun mal halblang, Frau Nachbarin. Wir haben kurz nach
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