Katzenjammer
Gräfin ist auch so ein Pferdenarr – und deswegen bleiben die Viecher. Sag mal, was ganz anderes«, Charlotte mustert mich, »hast du irgendwie zugenommen? Du siehst so … so … kräftig aus.«
Jetzt fängt die auch noch damit an!
»Vielleicht ein ganz kleines bisschen. Aber ich glaube eher nicht.« Ich hoffe eher nicht! Was wird sonst Cherie denken, wenn wir uns das nächste Mal begegnen? Golden Retriever sind extrem sportliche Zeitgenossen, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein kleiner, dicker Dackel bei ihr besonders gut ankommt. Ich versuche, mein Bäuchlein einzuziehen und Charlotte besonders selbstbewusst anzustrahlen.
»Du hast nicht zugenommen? Okay, dann bilde ich es mir wohl ein. Ist ja auch kein Wunder – der Alte drillt hier alle Hunde auf schlanke Linie, ein Stück Herz zu viel, und es gibt Ärger. Selbst hinter mir ist er her, obwohl ich doch Emilia gehöre und sowieso nicht zur Zucht tauge.«
Emilia ist die Köchin auf Schloss Eschersbach. Als der alte Schlossherr auf die glorreiche Idee verfiel, uns beide Mischlingskinder ins nächste Tierheim zu verfrachten, beschloss Emilia, wenigstens eines von uns aufzunehmen. Warum ihre Wahl gerade auf Charlotte fiel, weiß ich nicht. Vielleicht Solidarität unter Frauen?
Mittlerweile steht auch der alte von Eschersbach neben uns und unterhält sich mit Marc. Ich kann mir nicht helfen, und auch, wenn ich längst ein erwachsener Dackel bin: Vor dem Alten habe ich immer noch Angst. Neben Marc sieht er nicht einmal besonders imposant aus, für einen Menschen eher schmal und gebrechlich, aber sobald ich seine schnarrende Stimme höre, werde ich ganz unruhig. Brrr, besser ich stromere ein wenig mit Charlotte herum.
»Weißt du«, schlage ich ihr deshalb vor, »ich würde furchtbar gerne Mama und Opili begrüßen.«
»Tja, Opili, äh – das weißt du ja noch gar nicht, aber …«
»Mama ist auch erst mal wichtiger!«, unterbreche ich sie.
»Klar, kein Problem. Komm mit. Mama dürfte momentan zwar nicht die beste Laune haben, aber vielleicht heiterst du sie ja auf.« Charlotte trabt los, ich hinterher.
»Wieso ist Mama schlecht gelaunt? Was ist denn los?«
»Sie wird gerade getrimmt. Soll bestimmt wieder auf irgendeine Hundeschau. Sie hasst es, aber der Alte kann es einfach nicht lassen.«
»Hm.« Stimmt. Meine Mutter ist ein gefeierter Dackelchampion. Sie war sogar schon Bundessiegerin, ein riesiger Pokal in der Glasvitrine im Salon zeugt von diesem Triumph. Für von Eschersbach ist dies neben dem Jagen sein liebstes Hobby. Macht auch Sinn, denn schließlich züchtet er Dackel, und da kommt ihm jeder Titel recht – Prämiumnachwuchs ist teuer. Umso entsetzter muss er gewesen sein, als er feststellte, dass Mama ihr Herz ein einziges Mal nicht an einen Herrn mit den besten Dackelpapieren, sondern an den Terrier des benachbarten Jagdpächters verschenkt hatte.
Wo die Liebe eben hinfällt. Aber so ist Mama: eine Frau mit eigenem Kopf. Und sosehr sie es hasst, selbst für eine Hundeschau zurechtgemacht zu werden, so egal werden ihr auch die züchterischen Ambitionen von von Eschersbach gewesen sein. Jedenfalls im Fall unseres Vaters. Sie hat es mir nie erzählt, aber ich glaube, der Terrier war ihre große Liebe. Wann immer sein Name fiel – und der fiel oft, wenn von Eschersbach wieder einmal dazu ansetzte, über die Schlechtigkeit der Welt im Allgemeinen und die Ungezogenheit von Dackeln im Besonderen zu wettern –, lag in ihren Augen etwas Sanftes.
Liebe – wie die sich wohl anfühlt? Ist es dieses Herzrasen, das ich spüre, wenn ich an Cherie denke? Das Ohrensausen, das ich bekomme, wenn ich sie rieche? Ist das Liebe? Das Gefühl, dass ich am liebsten jeden Tag mit ihr verbringen würde? Ich kann es gar nicht genauer beschreiben, aber es steckt wirklich tief in mir, macht mich ganz fahrig – aber erfüllt mich gleichzeitig mit so viel Glück und Energie, dass ich mich nie, nie wieder anders fühlen möchte.
»Hey, schläfst du?« Charlotte ist stehen geblieben und knufft mich unsanft in die Seite.
»Äh, nein, warum?«
»Na, ich habe dich nun schon zweimal nach deiner neuen Familie gefragt, aber du antwortest nicht.«
»Entschuldige, ich war in Gedanken. Was wolltest du wissen?«
»Wie isses denn jetzt so mit dem Tierarzt? Als du das letzte Mal da warst, kannte dein Frauchen ihn ja noch nicht so lange.«
»Oh, es ist schön. Wir sind jetzt eine richtige Familie. Vater, Mutter, Kind, Hund.«
»Kind? Wo kommt das denn so schnell her? Die
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