Katzenjammer
schon gesehen, Carlchen?« Emilia hebt mich hoch und streicht mir über den Kopf. »Ach nein, die ist ja noch mit dem Hundefrisör zugange. Am Wochenende ist die Hundeschau, da muss sie doch besonders schön sein. Aber warte mal, ich bringe dich hin. Die sind im Anbau hinter den Pferdeställen.« Spricht’s und klemmt mich unter den Arm. Charlotte beeilt sich hinterherzukommen, und so stehen wir schon bald darauf vor der Tür zu dem gekachelten Raum am Stall, in dem auch immer die tierärztlichen Untersuchungen auf dem Schloss stattfinden. Emilia setzt mich wieder auf den Boden und öffnet die Tür.
Brrr, auch wenn ich Marc nun sehr gut kenne und mag – der Gedanke an die Untersuchungen und Impfungen, die ich durch ihn in diesem Raum erdulden musste, lässt mich sehr zögern, hineinzugehen. Obwohl das natürlich Quatsch ist. Aber offensichtlich haben Dackel ein gutes Gedächtnis.
»Komm schon, Carl-Leopold, auf was wartest du?«
Okay, soll schließlich niemand sagen können, ich sei ein Feigling. Ich drücke mich also an der Tür vorbei – und stehe sofort vor dem Tisch, den Tierarzt und Hundefrisör anscheinend gleichermaßen benutzen. Und auf dem Tisch: Mama! Ich belle aufgeregt, sie dreht den Kopf zur Seite.
»Mensch, Daphne, stillhalten! Sonst schneide ich dir noch ins Ohr!« Der Hundefrisör, der eine Hundefrisörin ist, schimpft. Aber meiner Mutter ist das völlig egal. Sie hüpft einfach zu mir herunter.
»Junger Mann, wir kennen uns doch!«
Begeistert schlecke ich ihr die Schnauze ab. Meine Mutter ist einfach eine ganz tolle Frau!
»Hey, nicht so stürmisch! Deine Mutter ist mittlerweile schon eine ältere Dame, Carl-Leopold. Und was machst du überhaupt hier?«
»Er ist wieder mit dem Tierarzt da, Mama.«
»Ach so? Ja, den Arzt habe ich eben schon gesehen. Hat auch mit dem Alten hier reingeschaut. Dann sind sie wohl zu den Pferden gegangen. Hach, es ist wirklich schön, dich zu sehen, mein Junge.« Mama erwidert mein Schlecken.
Die Hundefrisörin scheint nun genug von unserer spontanen Familienzusammenführung zu haben. Sie beugt sich herunter, schnappt sich meine Mutter und setzt sie wieder auf den Tisch.
»So. Stillgehalten jetzt, Daphne. Sonst kann ich aus dir keinen Champion machen.«
Ergeben setzt sich Mutter auf ihr Hinterteil.
»Du siehst es, Carl-Leopold. Mir bleibt hier nichts erspart. Vielleicht sehen wir uns später nochmal.«
»Alles klar. Dann gehen wir erst einmal Opili suchen.«
Mama fährt so schnell herum, dass die Frisörin den Trimmkamm fallen lässt.
»Hat dir Charlotte etwa noch nichts erzählt?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, was denn?«
Mama senkt die Schnauze. »Opili ist im letzten Winter gestorben.«
VIERZEHN
H erkules, das ist der Lauf der Dinge. Hunde sterben, Menschen sterben. Ja, sogar Katzen treten irgendwann ab.«
Falls Herr Beck versucht, mich mit diesen halbgaren Überlegungen zur Vergänglichkeit alles Irdischen zu trösten: So klappt das nicht! Wir liegen unter Ninas Tisch im Wohnzimmer, hier hat mich Caro geparkt, weil sie auf einen Termin musste. Auch so ein Ding. Mir geht es schlecht, und sie schiebt mich einfach ab. Heute ist ein furchtbarer Tag. Draußen regnet es schon wieder in Strömen, und hier drinnen ist mir zum Heulen zumute.
»Aber warum hat mir das niemand erzählt?«
Herr Beck starrt mich an. »Ja, um Gottes willen, wer hätte dir das denn erzählen sollen?«
»Na, Marc zum Beispiel. Der wusste es bestimmt. Er ist schließlich Tierarzt auf dem Schloss!«
»Herkules, ich sage es dir wirklich nur ungern, aber: Du bist nur ein Hund. Kein Mensch käme jemals auf die Idee, dass diese Information für dich wichtig sein könnte.«
»Bitte? Es war immerhin mein Opili!«
»Richtig. Aber für Marc war Opili garantiert nur ein alter Dackel. Und damit hat er aus Menschensicht auch nicht ganz Unrecht.«
Ich lege meinen Kopf auf die Schnauze und schweige. Bin ich vielleicht beleidigt? Nein. Ich bin traurig. Und gekränkt. Ich lebe offensichtlich mit Leuten zusammen, die sich nicht im Geringsten um mein Gefühlsleben scheren. Eine erschreckende Erkenntnis. Wieso bloß mache ich mir dann umgekehrt so viele Gedanken um sie? Um ihre Krisen, Sorgen und Nöte? Das lasse ich demnächst doch einfach. Jeder ist sich selbst der Nächste. Schon wahr. Und nicht nur der nächste Mensch. In Zukunft gilt das auch für Dackel.
Herr Beck holt tief Luft. »Sieh es doch mal so: Dein Opili war wahrscheinlich schon ganz schön alt. Möglicherweise auch
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