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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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verstanden?»
    «Natürlich. Ich bin ja nüchtern. Aber ich habe nicht vor, irgendwohin zu gehen. Wie kann ich wissen, ob Sie mich nicht in einen Hinterhalt locken? Sie haben ja selbst von einer letalen Gefahr gesprochen.»
    «Diese Andeutung kränkt mich, Whitelands – wir sind Engländer, Gentlemen und Kollegen.»
    «Das ist kein Hindernis.»
    «Seien Sie doch vernünftig. Seit Tagen suche ich Sie, um Sie vor einer großen Gefahr zu warnen. Weisen Sie meine dargebotene Hand nicht zurück. Vielleicht haben wir keine weitere Chance. Sagt Ihnen der Name Kolja etwas? Ah, ich sehe Sie die Brauen hochziehen. Ich kann Ihnen zusätzliche Informationen zu dem Mann geben und auch dazu, wie man seine Absichten vereiteln kann. Ich kann Ihnen auch den einen oder anderen Punkt zu der strittigen und umstrittenen Urheberschaft eines gewissen Bildes erklären … Kurzum, ich erwarte Sie in ungefähr einer halben Stunde. Gehen Sie so vor, wie es Ihnen am besten erscheint.»
    Er setzte sich das Monokel auf, erhob sich, nahm Mantel und Melone und verließ mit steifen Schritten das Lokal. Anthony las die Adresse. Es war eine niedrige Nummer der Calle Serrano, nicht weit von wo er war. Während er sich den Weg vorstellte und überlegte, ob er überhaupt hingehen sollte, brachte ihm der Kellner die Rechnung für die beiden Martinis. Dieser Beweis von Kopflosigkeit und Unverschämtheit beruhigte ihn hinsichtlich Pedro Teachers Absichten. Ein Schurke hätte sich nicht so plump verhalten. Er bezahlte und ging.
    Zwar war es noch immer winterlich kalt, doch die Nachttemperatur war milder als an den Vortagen, und der Spaziergang kräftigte ihn und half ihm, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Die vorangegangenen Stunden waren in jeder Hinsicht sehr bewegt gewesen, und jetzt übermannte ihn eine absolute Müdigkeit, körperlich und geistig, die dem freien Willen keinen Raum mehr ließ. Er war überzeugt, an den Rand seiner Kräfte gekommen zu sein, und alles, was mit seiner Reise zu tun hatte, interessierte ihn nicht mehr. Sogar das Velázquez-Bild erschien ihm jetzt als ein zu weit entfernter und zu kostspieliger Gegenstand. Ohne das Geringste von ihrer Attraktivität verloren zu haben, konnte weder das erstrebte berufliche Erfolgserlebnis noch die erotische Lawine, fast in einem Atemzug ausgelöst und niedergegangen, mit dem brennenden Wunsch Schritt halten, in die Ruhe seiner Arbeit, seiner Wohnung und seines geordneten Alltags zurückzukehren. Was auch immer die von Pedro Teacher angekündigte Enthüllung sein mochte, seine Entscheidung war getroffen. Am nächsten Tag würde er nach England zurückfahren, ohne sich mit jemandem zu besprechen, ohne es jemandem mitzuteilen, ohne sich von jemandem zu verabschieden.
    Nach dem Überqueren der Plaza de Cibeles kam er an der Kneipe vorbei, deren Untergeschoss den Heiteren Wal beherbergte, wo sich abends José Antonio Primo de Rivera und seine Kameraden trafen, um Whisky zu trinken und über das Intellektuellenleben zu diskutieren. Er hatte eine warme Erinnerung an den Abend, als er zu der Gesprächsrunde eingeladen wurde, hatte aber wenig Lust, sich erneut mit José Antonio zu treffen, nachdem ihn Paquita betrügerisch und ziemlich hirnverbrannt missbraucht hatte, um den Weg für die Paarung mit dem Landeschef zu ebnen. Beim Gedanken an die klägliche Rolle, die ihm in diesem eigentümlichen Dreieck zugefallen war, errötete der Engländer vor Wut und Scham. Er war in der Calle Serrano angelangt, und da kam ihm sein Gespräch mit Paquita in der Cafeteria Michigan vor einigen Tagen in den Sinn. Damals hatte er von Velázquez erzählt und sie von ihren persönlichen Problemen. Zwischen ihnen beiden war ein Band entstanden, das jetzt für immer zerrissen war. Ob sie sich wieder einmal sehen würden? Das war ziemlich unwahrscheinlich.
    Zerstreut nach diesen Erinnerungen und Grübeleien, kam er mit Verspätung zu der von Pedro Teacher auf die Chicote-Serviette geschriebenen Adresse. Die Uhr zeigte Punkt elf, als er vor einer riesigen Flügeltür stehenblieb, in deren einem Teil eine weitere, kleinere Tür mit einem Löwenkopfklopfer eingelassen war. Bevor er ihn betätigte, drückte er die kleine Tür auf, und sie gab nach. Er schaute sich um und trat ein: In diesem Augenblick war auf der Straße niemand zu sehen. Anthony hatte den Eindruck, dass ihm weder jemand gefolgt war noch ihn beobachtete. Nach so vielen Tagen des Beschattetwerdens erschien ihm die plötzliche Autonomie als böses Omen.

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