Katzenkrieg
Trotzdem ging er in den Hausflur hinein. Im Licht der Straßenlaterne erkannte er einen Schalter und drückte ihn, worauf in einer vergoldeten Messingwandleuchte eine Glühbirne anging. Er schloss das Portal und stieg eine breite Treppe mit massigen, glänzend ausgetretenen Querbalken hinan, die knarrten, wenn er seinen Fuß daraufsetzte.
Auch die linke Tür des zweiten Stocks war angelehnt, wo Pedro Teacher seine kleine hübsche Behausung haben wollte. Nicht ohne eine gewisse Befangenheit trat Anthony über die Schwelle. Die Diele lag im Dunkeln, aber am Ende des Gangs zeichnete sich eine diffuse Helligkeit ab. Weder in der Diele noch auf dem Gang gab es irgendwelche Möbel, Teppiche oder Vorhänge, und an den Wänden hing kein Bild. Leise vorwärtsgehend, um eher zu überraschen, als überrascht zu werden, gelangte er in ein geräumiges, von einer Petroleumlampe erleuchtetes Zimmer. Die nackten Wände und das spärliche Mobiliar bekräftigten seinen Verdacht: Niemand benutzte diese Behausung, weder als Wohnung noch als Büro oder Ausstellungsraum. Das allein hätte genügt, um ihn seinen Irrtum einsehen zu lassen, hätte ihm nicht ein anderer Anblick das wahre Ausmaß seiner naiven Unbesonnenheit vor Augen geführt.
33
Pedro Teacher war mausetot, daran gab es nichts zu rütteln. Kurz zuvor hatte er die Lage noch als letal bezeichnet, und nun ging er mit klarem Beispiel voran. Die Leiche lag mitten im Raum auf dem Rücken, in einer Blutlache, Beine und Arme gespreizt, als wäre er wie ein Windmühlenflügel hingefallen. Noch steckte er im Mantel, während die Melone einen Meter von ihm weggerollt war; das Monokel lag, zersplittert zwar, aber noch seine Form wahrend, neben seinem Kopf.
Vom Selbsterhaltungstrieb in Bewegung versetzt, fand sich Anthony Whitelands wieder auf dem Treppenabsatz, ohne sich über die Situation auch nur Gedanken gemacht zu haben. Im Treppenhaus hallten Schritte. Er schaute hinunter und sah bewaffnete Männer heraufkommen. Einige Hausbewohner öffneten die Türen, streckten den Kopf heraus, wichen in die Wohnung zurück und verschanzten sich – sie um Hilfe zu bitten wäre unnütz gewesen, und zudem trübte ihm die Müdigkeit den Verstand. Soll eben geschehen, was zu geschehen hat, dachte er. Bei diesem Gedanken sah er sich von vier Männern umringt, die ihn unmissverständlich aufforderten, sich zu ergeben. Die bloße Vorstellung, Widerstand zu leisten, entlockte dem Engländer ein unwillkürliches Lächeln.
«Sonst noch jemand da?», wurde er gefragt.
«Da drin liegt ein Toter. Mit wem habe ich die Ehre?»
Ohne zu antworten, hießen sie ihn die Wohnung betreten und schlossen die Tür. Einer hatte die Waffe auf ihn angelegt, während die anderen drei mit gezückter Pistole eine oberflächliche Überprüfung vornahmen. Danach machten sie von einem Wandapparat im Gang aus einen Anruf. Die Antwort kam unmittelbar, als hätte am anderen Ende der Leitung jemand auf das Klingeln gewartet. Das Gespräch bestand aus zwei, drei knappen Worten. Nach dem Auflegen sagte der Anrufer zu den anderen: «Nichts berühren. In fünf Minuten sind sie da.»
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, drehten sich die vier Männer Zigaretten und rauchten. Anthony versuchte zu erraten, in wessen Hand er sich befand. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, erhielt er die Antwort in der Person von Oberstleutnant Marranón und einem Gehilfen. Marranóns Erscheinung hätte ihn beruhigt, wäre der Oberstleutnant nicht stehenden Schrittes auf ihn zugekommen, um ihm einen kräftigen Fausthieb zu verpassen. Der Schlag und die Überraschung warfen ihn zu Boden. Von dort aus schaute er den Angreifer eher verblüfft als vorwurfsvoll an.
«Arschloch! Mistkerl! Wäre es nicht wegen des verdammten republikanischen Rechts, ich würde Sie auf der Stelle erschießen!», rief der Oberstleutnant.
Der Gehilfe, etwas ruhiger, hatte sich neben die Leiche gekauert, wobei er seinen Mantelsaum lüftete, damit er keine Blutflecke bekam. Aus der Hocke verkündete er seine vorläufigen Schlussfolgerungen. «Er ist noch warm. Man hat ihm aus nächster Nähe mit einer großkalibrigen Waffe in den Thorax geschossen. Mit dem Mantel und dem dunklen Anzug lässt sich die genaue Einschussstelle nur schwer eruieren, aber es muss fulminant gewesen sein. Die Nachbarn können den Knall nicht überhört haben, aber in diesen Zeiten werden sie sich wohl taub stellen.»
Dieser gesetzte Bericht beruhigte den Oberstleutnant wieder. «Sind Sie
Weitere Kostenlose Bücher