Katzenkrieg
zur ursprünglichen Struktur des Hauses. Er war nicht als Keller, sondern als Wohnung für die Bediensteten gedacht. Darum ist er vor Feuchtigkeit und Überschwemmungen geschützt. Es gibt auch keine Ratten oder Schädlinge. Sonst würden wir ihn nicht zum Verwahren der Möbel benutzen. Trotzdem hat sich das Bild immer woanders befunden. Es ist erst vor kurzem hierhergebracht worden.»
Sie waren in den großen, mit Möbeln vollgepferchten Raum gelangt. Das Bild unter der Wolldecke befand sich noch am selben Ort.
«Wer hat es hergebracht?», fragte Anthony. «Es muss mordsschwer sein.»
«Ich weiß es nicht. Angestellte meines Vaters vermutlich, mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen und ohne zu wissen, was sie transportierten – das Bild war eingepackt. Als es hier war, haben mein Vater und ich es ausgepackt und in die Decke gehüllt. Nur er und ich haben es gesehen und jetzt Sie.»
«Helfen Sie mir, die Decke zu entfernen», sagte er. «Ich möchte es um nichts in der Welt beschädigen.»
Gemeinsam befreiten sie es von der Decke. Anthony sagte nichts und zeigte keinerlei Regung. Er schaute das Bild nur aufmerksam an, die Brauen hochgezogen, die Lider halb geschlossen, die Lippen zusammengepresst. In der Grabesstille des Kellers war sein tiefes, regelmäßiges Atmen zu hören. Paquita betrachtete ihn und konnte sich der magnetischen Wirkung nicht entziehen, die von einem Menschen ausgeht, der alles um sich herum vergisst und seine ganze Energie einem Gegenstand widmet, den er kennt, schätzt und respektiert. So verging eine gewisse Zeit. Schließlich schien der Engländer aus einem Traum zu erwachen, lächelte und sagte ganz ungezwungen: «Das Bild ist gut erhalten. Weder die Leinwand noch die Farben haben einen irreparablen Schaden erlitten. Mit einer sorgfältigen Restaurierung ist alles in Ordnung zu bringen. Es ist ein großartiges Stück, wirklich großartig.»
«Halten Sie es noch immer für echt?»
«Ja. Wie ist ein so wichtiges Werk zu Ihrer Familie gelangt? Das werden Sie doch wissen.»
«Nicht genau. Wie ich Ihnen schon am ersten Tag sagte, interessiert mich die Malerei nicht besonders. Es muss von irgendeinem entfernten Zweig der Familie geerbt worden sein. Wie jedes noble Haus sind wir mit der ganzen spanischen Aristokratie verschwägert. Unser Stammbaum ist ein einziges Durcheinander. Das erklärt zu einem guten Teil unser Vermögen und die meisten unserer Fehler.»
«Welches sind denn die Ihren?»
«Die üblichen: Egoismus, Trägheit, Arroganz und das Fehlen von gesundem Menschenverstand.»
«Mein Gott … Wer weiß sonst noch von diesem Bild?»
«Niemand. So merkwürdig es klingt, es steht seit mehreren Generationen beim alten Eisen. Sicherlich wegen des Sujets. Außer dem, was ich schon erwähnt habe, sind wir in meiner Familie auch noch prüde und bigott.»
«Aber es ist doch bestimmt inventarisiert worden», sagte Anthony.
«Sicherlich sind die ersten Übertragungen beurkundet. Dann müssen die folgenden Vererbungen privat vonstattengegangen sein, ohne offizielle Beurkundung, aus einleuchtenden Gründen. Wenn es denn Dokumente gibt, werden sie sich in irgendeinem Archiv befinden, auf dem Dachboden irgendeines Hauses, weiß Gott, wo. Mit der Zeit könnte man sie finden, und ich bezweifle nicht, dass sie im gegebenen Moment ans Licht kommen. Jetzt können wir uns leider nur auf Ihre Vermutungen stützen. Ist Ihnen nicht kalt?»
«Ziemlich. Aber ich brauche Zeit. Sie können mich allein lassen.»
«Kommt gar nicht in Frage. Warum sagen Sie nicht, was Sie denken?»
«Das werde ich gern tun, wenn wir hier rausgehen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass ich es noch einmal habe sehen dürfen und dass Sie mir Ihre Zeit geschenkt haben.»
«Bedanken Sie sich nicht. Auch ich werde Sie um einen Gefallen bitten.»
«Sie können auf mich rechnen, wenn es in meiner Macht steht. Und helfen Sie mir eine Frage klären: Hat irgendein Vorfahr Ihrer Familie in Italien ein hohes Amt bekleidet?»
«Einmal habe ich gehört, ein Verwandter von Vaters Seite sei Kardinal gewesen. Hilft Ihnen das weiter?»
«Und ob mir das weiterhilft. Decken wir das Bild wieder zu.»
Sie hüllten das Gemälde in die Decke. Als sie eben den Keller verlassen wollten, begann die Glühbirne zu flackern und erlosch dann, so dass sie in tiefster Dunkelheit standen.
«Wie lästig!», sagte Paquita gelassen. «Sie muss durchgebrannt sein. Oder es hat wieder so ein verdammter Streik begonnen. Es kann Stunden dauern, bis wir
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