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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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und Neuigkeiten oder Sonstiges zu diesem oder jenem Thema, zu dieser oder jener Person, zu diesem oder jenem Skandal austauschen; dasselbe im Ateneo oder am Ausgang der Messe oder in der Freimaurerloge. Auf all diesen Wegen kommt der Spanier im Allgemeinen und der Madrilene im Besonderen zu manchmal zutreffenden, manchmal falschen Informationen, ohne dass er die einen von den anderen zu unterscheiden wüsste.
    Von alledem hat Anthony Whitelands eine vage Vorstellung, aber seine Kenntnisse von Spanien sind in einigen Belangen umfassend und in anderen sehr oberflächlich, und leicht verirrt er sich in dem Labyrinth von Tatsachen, Mutmaßungen und Phantasien, in dem er steckt. Zudem absorbieren ihn seine eigenen Sorgen.
    Das Editorial des ABC wettert gegen die Tatenlosigkeit der Regierung angesichts des Vandalismus in Kirchen und Klöstern. Wie viel persönliches Unglück und wie große Zerstörungen unseres künstlerischen Erbes müssen wir noch beklagen, ehe Señor Azaña gegen die Übeltäter durchzugreifen geruht? Müssen wir warten, bis der Mob seinen Hass auf andere Bereiche der Gesellschaft ausdehnt und die Häuser der Mitbürger mitsamt diesen in Schutt und Asche legt?
    Diese Möglichkeit benimmt ihm den Atem. So, wie die Dinge liegen, lässt sich ein Attentat gegen das Palais des Herzogs nicht ausschließen – und wenn das einträfe, was geschähe dann mit dem Bild, das sich in diesem Augenblick im Keller befindet und darauf wartet, dass Mr. Whitelands sein Urteil abgibt?

19
    Ohne noch einmal ins Hotel zu gehen oder seinen Besuch anzukündigen, marschierte Anthony Whitelands leichtfüßig zum Palais in der Castellana und klingelte. Als der Butler öffnete, entschuldigte er sich weder für sein frühes Erscheinen, noch bemühte er sich, seine Nervosität zu verbergen. «Ich muss dringend den Herrn Herzog sprechen», sagte er.
    Der Butler begegnete seiner Unhöflichkeit mit senecahafter Ironie:
    «Seine Exzellenz der Herzog würde Sie zweifellos empfangen, wenn er im Hause wäre, aber da dem nicht so ist, sehe ich keine Möglichkeit. Seine Exzellenz ist früh weggegangen, ohne zu hinterlassen, wann er wiederzukommen gedenkt. Hingegen ist die Frau Herzogin da, aber sie empfängt erst nach zwölf. Wenn Sie wollen, benachrichtige ich Señorito Guillermo.»
    Da sein Tatendrang von der Enttäuschung abgekühlt worden war, nahm Anthony eine distanzierte Haltung ein. «Ich will nicht mit Señorito Guillermo sprechen», antwortete er knapp, um zu verstehen zu geben, dass er nicht mit verwöhnten Söhnchen verkehrte. «Und Señorita Paquita?»
    Der Butler deutete mit einem Lächeln an, dass er, obwohl tiefergestellt, Herr der Lage war. «Ich werde mal nachsehen», sagte er, trat zur Seite, um den Engländer durchzulassen, und setzte ein unterwürfiges Gesicht auf, das den Boden für eine höfliche Verabschiedung vorbereitete.
    Erneut stand Anthony in der Eingangshalle vor der Kopie von Tod des Aktaion . Diese wirre Darstellung einer unvorhersehbaren Gewalttat rief in ihm gleichermaßen Bewunderung wie Ablehnung hervor. Tizian hatte das Bild im Auftrag der spanischen Krone gemalt, aber aus Gründen, die Anthony nicht bekannt waren, gelangte es nie zu seinem legitimen Empfänger. Vielleicht wusste Philipp II. um das Sujet und hielt es für unpassend. Entgegen dem Gemeinplatz vom feurigen Charakter der Spanier haben in der spanischen Malerei Zorn und Rache keinen Platz. Velázquez hätte niemals eine vergleichbare Szene gemalt. Seine Welt bestand aus Alltäglichkeiten voll vager Melancholie, mit der das unvermeidliche Scheitern der Illusionen dieser Welt hingenommen wird. Dass das Tizian-Bild im schmucklosen Haus des Herzogs an so prominenter Stelle hing, erstaunte ihn immer wieder von neuem, aber das Prestige des Malers und der Lauf der Zeit mochten diesen Platz erklären. Und noch schlimmer: Anthony hatte gesehen, wie entsetzliche Schlächtereien Salons dominierten, in denen Kanapees serviert wurden, wo man tanzte und schnatterte, aus dem einfachen Grund, weil das betreffende Bild für teures Geld erworben oder von einem illustren Vorfahren geerbt worden war und jetzt keinen weiteren Zweck erfüllte, als Reichtum und Abstammung zu bezeugen. Anthony missbilligte diese Perversion der Kunst. Für ihn war der Inhalt eines Bildes wesentlich und die Absicht, in der der Künstler es gemalt hatte, auch nach Jahrhunderten nicht nur weiterhin gültig, sondern dieser Geist rangierte, wenn es sich um ein echtes Kunstwerk handelte,

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