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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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von Ort zu Ort studieren müssen. In Katalonien ist es einstweilen ruhig, in Andalusien dagegen geht es drunter und drüber.
    Unbedeutende, aber fürs gute Funktionieren der Administration vitale Geschäfte beanspruchen noch eine Stunde des dichtgefüllten Arbeitstages der Beamten. Dann gehen sie einer nach dem anderen mit vom Schlafmangel und Rauch geröteten Augen in ihre jeweiligen Büros zurück. Als der Ministerialdirektor, Oberstleutnant Marranón und Hauptmann Coscolluela wieder unter sich sind, unterdrückt Señor Mallol ein Gähnen, rekelt sich und murmelt müde: «Und was gibt es Neues vom Engländer?»
    Der Oberstleutnant, der bereits aufgestanden war, setzt sich wieder, schielt zu seinem Gehilfen hinüber und antwortet mit seiner dumpfen Stimme: «Augenblicklich nichts Definitives. Er wirkt wie ein Dummkopf, ist es aber vermutlich nicht. Bei der Befragung hat er uns absichtlich belogen.»
    In wenigen Worten resümiert er das Gespräch mit Anthony Whitelands vom Vortag, dann macht er eine Pause, damit sein Vorgesetzter das Gehörte aufnehmen kann, und fügt hinzu: «Gestern spät habe ich einen Anruf von unseren Informanten in London erhalten, mit denen ich mich zuvor in Verbindung gesetzt hatte. Alle Indizien weisen darauf hin, dass unser Mann tatsächlich ist, was er sein will: ein Kunstexperte. Er hat Artikel publiziert und genießt Ansehen in seinen Kreisen. Obwohl er in Cambridge studiert hat, ist er weder schwul noch Kommunist. Er hat auch keinen Kontakt zu faschistischen oder andersgearteten Gruppierungen gehabt. Bis dahin apolitisch. Ohne Vermögen. Seit einigen Jahren setzt er einem Beamten des Foreign Office Hörner auf. Er bezieht einen bescheidenen Kapitalertrag. Mit seiner Arbeit verdient er nicht das Salz zur Suppe.»
    «Das könnte erklären, warum er nach Spanien gekommen ist», bemerkt der Ministerialdirektor. «Das Geld zählt.»
    «Das ist tatsächlich eine Möglichkeit», stimmt der Oberstleutnant zu. «Man hat ihn im Haus des Herzogs von Igualada ein und aus gehen sehen.»
    Señor Mallol brummt: «Ob dieser alte Reaktionär was ausheckt?»
    «Das würde mich nicht erstaunen. Primo de Rivera sucht den Herzog oft auf.»
    «Wahrscheinlich wegen des Mädchens.»
    «I wo, diese Geschichte kommt nicht vom Fleck. Bei den Frauen weiß man natürlich nie … Sicher dagegen ist, dass der Engländer gestern Abend mit Primo und seinen Spießgesellen im Heiteren Wal saufen gegangen ist.»
    Don Alonso Mallol macht eine entschiedene Handbewegung – er ist müde und will das Ganze jetzt abhaken. «Behalten Sie ihn im Auge», sagt er zum Abschied.
    Durchs Fenster scheint eine blasse Sonne herein, und von der Straße ist gedämpft der Stadtlärm zu hören. Zur selben Stunde frühstückt Anthony Whitelands, vollkommen ahnungslos, dass man ihm hinterherspioniert, in einem Lokal auf der Plaza Santa Ana Milchkaffee und Ölstangen, während er bekümmert in der Tagespresse blättert. Er ist von der allgemeinen Unsicherheit angesteckt worden, aber als guter Engländer versteht er das Stillschweigen der Medien zu Angelegenheiten nicht, die das Land in Atem halten. Zwar weiß er sehr wohl, dass die Regierung eine strenge Zensur ausübt, denn die Zeitungen selbst berichten auf den Frontseiten in großen Lettern von der Ungerechtigkeit, deren Opfer sie sind, aber er versteht den Nutzen einer Maßnahme nicht, die die Regierung nur in Misskredit bringt, ja kontraproduktiv ist. Da es keine normalen Informationen gibt, zirkulieren alle möglichen phantastischen, vom Volk bis zur Maßlosigkeit entstellten Gerüchte. Alle versichern, aus guter Quelle von sensationellen Nachrichten und schwerwiegenden Geheimnissen zu wissen, die sie aber unbedenklich in alle vier Winde ausposaunen. Diese Informationskanäle sind ganz verschieden und höchst komplex, denn die Geselligkeit der Spanier ist grenzenlos. In Schenken und Cafés, Büros und Läden, Bussen und Hinterhöfen erzählt, kommentiert und diskutiert das Volk mit Bekannten und Unbekannten selbstbewusst und lauthals die Gegenwart und die Zukunft der wechselvollen spanischen Wirklichkeit. Auf höchster Ebene geschieht dasselbe, doch hier kommt noch ein verwirrender Faktor dazu – die politische Gesinnung jedes Einzelnen koexistiert mit seinem familiären und beruflichen Umfeld, mit dem Sportclub, dem Kulturzentrum oder der Freizeitanlage, denen er angehört. Der fanatische Rechte und der fanatische Linke können beim Stierkampf oder beim Fußballspiel zusammentreffen

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