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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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über irgendwelchen anderen Erwägungen technischer, historischer oder finanzieller Art.
    In diese Gedanken versunken, war er dicht ans Bild herangetreten und strich mit den Fingern über die Farbe. Dann trat er einige Schritte zurück und betrachtete von der Mitte der Halle aus mit einem leichten Lächeln die imponierende Szene. Ach, dachte er, die alte Geschichte vom gejagten Jäger.
    «Was brummeln Sie da in den Bart, Señor Whitelands?», fragte Paquitas Stimme hinter ihm.
    Er wandte sich ohne Eile oder Verwirrung um. «Verzeihen Sie», sagte er, «ich habe Sie nicht kommen hören. Ich habe dieses Bild betrachtet.»
    «Es ist nur eine Kopie.»
    «Ich weiß schon, aber das ist unwichtig. Es ist eine gute Reproduktion – der Kopist hat das Wesentliche des Originals einzufangen gewusst, ja sogar das Geheimnis bewahren können. Ich frage mich, woher er es wohl kopiert hat und wie es hierhergelangt ist. Vielleicht wissen Sie es.»
    «Nein», sagte sie mit einer Handbewegung nach hinten, als wollte sie den langen Weg zurück in die Vergangenheit andeuten. «Vermutlich stammt es aus der Sammlung der Familie. Julián hat mir gesagt, Sie wollen mich sehen.»
    «So ist es», sagte er Engländer, plötzlich aufgeregt. «Da Ihr Vater nicht hier ist, sind Sie die geeignetste Person. Nun, ich habe in der Presse gelesen … Sie wissen, die Brandstiftungen … Dieses Palais erfüllt die Voraussetzungen nicht … Die Krawalle nehmen zu.»
    «Ja, ich sehe, worauf Sie hinauswollen: Dieses Haus könnte vom Pöbel überfallen werden, und dann beunruhigt Sie das Schicksal des Bildes und nicht unseres.»
    «Señorita Paquita», antwortete Anthony in gekränktem Ton, «das ist nicht der Moment für Gesellschaftsspiele. Sie wissen ganz genau, was mir Sorgen macht, ja, was mich quält. Und es scheint mir Ihrer unwürdig, in der Wunde zu stochern. Ich habe von etwas sehr Praktischem gesprochen: Im Brandfall können sich Menschen relativ leicht in Sicherheit bringen, während ein Gemälde in Sekunden unwiederbringlich verbrennt. Ich bin überzeugt, dass Sie den Wert des Bildes kennen und meine Unruhe verstehen und teilen.»
    Paquita legte die Hand auf seinen Unterarm, schaute ihm ernst in die Augen und zog die Hand sogleich wieder zurück. «Entschuldigen Sie, Anthony, ich hätte mich nicht über Sie lustig machen dürfen. Ich habe Ihnen ja schon am ersten Tag gesagt, dass wir alle sehr aufgeregt sind, und das macht uns rücksichtslos. Was dieses verflixte Bild angeht, wäre es mir egal, es in Asche verwandelt zu sehen. Ich habe es Ihnen neulich schon gesagt, und heute wiederhole ich es: Echt oder falsch, lassen Sie das Bild in Ruhe. Und hören Sie auch auf, seinetwegen zu leiden, es ist an einem sicheren Ort. Sie können beruhigt gehen.»
    «Könnte ich es noch einmal sehen?»
    «Sie sind ja sturer als ein Maultier. Also gut, ich begleite Sie in den Keller. Ich hole die Schlüssel und etwas zum Überziehen, dort unten ist es kalt wie am Nordpol. Warten Sie hier auf mich, und sagen Sie niemandem etwas. Das Dienstpersonal weiß nicht, was dort ist, und darf es auch nicht wissen.»
    Der Ernst ihrer Worte passte nicht zu ihrer offensichtlich eher spöttischen als bekümmerten Laune. Flink wie ein junges Mädchen huschte sie aus der Vorhalle, und Anthony dachte: Wie jung und schön sie ist! Sie dürfte gar nicht in diese Geschichte verwickelt sein. Aber sie ist es, und ich bin es auch.
    Paquita kam gleich wieder zurück. Sie vergewisserten sich, dass niemand sie sah, und gingen durch einen Korridor, an dessen Ende sich unter einer ins obere Stockwerk führenden Treppe eine niedrige Tür befand. Paquita nahm einen großen schwarzen Schlüssel und sagte, während sie ihn ins Schloss steckte: «Dieser Schlüssel erinnert mich immer ans Märchen von Blaubart. Ist es in England auch bekannt?»
    «Ja, natürlich, nur dass wir ihn da Bluebeard nennen», sagte er und schätzte von Auge die Dicke der Tür ab.
    Vor der Tür sah er ein Stück Treppe zum Keller hinunterführen. Paquita drehte an einem Schalter. Als sie die Treppe betraten und sie die Tür hinter sich schloss, waren sie von Halbdunkel umgeben. Das einzige Licht stammte von einer nackten Glühbirne an der Decke – die Fensterläden waren geschlossen. Ein kalter Luftzug trug ihnen den Geruch nach Staub und Naphthalin zu. Anthony schlüpfte wieder in den Mantel, den er über dem Arm hängen hatte. Während sie langsam die schmalen Stufen hinunterstiegen, sagte Paquita: «Der Keller gehört

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