Katzenmond
Fingerspitzen auf dem Tisch.
»Ich glaube, die wichtigere Frage lautet: Wissen die, was dieser Anhänger in Wahrheit ist? Ist ihnen die Tragweite klar? Die Koyanni, die nach Ambers Geistsiegel gesucht haben, hatten keine Ahnung. Für sie war das ein Objekt von großer religiöser Bedeutung, das ihren Anführern Macht verlieh.« Camille schüttelte den Kopf. »Ich würde nicht darauf wetten, dass die Koyanni wussten, worum es sich bei dem Edelstein wirklich handelte. Aber Van und Jaycee wussten es mit Sicherheit. Können wir also davon ausgehen, dass sie nur darauf warten, es für Schattenschwinge abzugreifen?«
Ich überflog die Seiten, bis ich fand, wonach ich suchte.
»Es ist kein Zufall, dass Gulakah gerade jetzt hier erscheint.« Ich zeigte auf einen bestimmten Absatz. »Hier steht, dass Newkirk vor ein paar Wochen in derselben Szene aufgetaucht ist. Und dass Van und Jaycee sich sofort für ihn interessiert haben.«
»Haben die das Geistsiegel erkannt?« Trillian klopfte nun ebenfalls mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
»Ja. Wahrscheinlich sind sie dahintergekommen, dass Newkirk eines der Geistsiegel hat, und haben zu Hause Bescheid gesagt, damit Schattenschwinge Unterstützung schickt. Gut möglich, dass sie gar nicht wissen, wie mächtig Newkirk ist – noch nicht. Falls sie versuchen sollten, das Siegel selbst an sich zu bringen, und dabei versagen, wird Big Daddy daheim in den U-Reichen das gar nicht witzig finden.«
»Also erbitten Van und Jaycee Hilfe und wälzen damit gleichzeitig die Verantwortung auf irgendjemand anderen ab, falls etwas schiefgehen sollte«, sagte Smoky nachdenklich. »Also muss der Dämonengeneral ganz genau wissen, wer das Geistsiegel hat.«
»Was bedeutet, dass wir nicht die Einzigen sind, die es auf Newkirk abgesehen haben. Jetzt liefern sich gleich drei Parteien ein Wettrennen gegen jemanden, der mit Sicherheit fest entschlossen ist, seinen Schatz zu behalten. Wir, Trytian und die Dämonen.« Dieser Wettlauf behagte mir gar nicht. Zwei der drei möglichen Ergebnisse waren nicht zu unseren Gunsten.
Chase kam wieder herein. Wir blickten erwartungsvoll zu ihm auf. Er neigte den Kopf zur Seite, und ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. »Ich wollte nur kurz etwas nachprüfen, und es könnte sein, dass wir Glück haben. Eines der VBM -Opfer hat nach der Vergewaltigung vor anderthalb Jahren Anzeige erstattet. Sie konnten damals DNA -Spuren an ihr sichern, aber es gab keine Übereinstimmung in der Gendatenbank. Und obwohl nach ihren Angaben ein Phantombild erstellt wurde, gab es keine Spur zu dem Täter. Wir haben wegen Alfinas Fall schon eine Speichelprobe von Andy Gambit genommen. In ein paar Tagen wissen wir Bescheid, ich mache da Druck.«
»Die Probe wird übereinstimmen, verlass dich drauf. Wir kriegen diesen perversen Mistkerl dran. Also, wir haben Infos über ein Geistsiegel bekommen. Und ein neuer Dämonengeneral ist in der Stadt.« Mein Handy klingelte, und ich wandte mich ab, um dranzugehen. Auf dem Display wurde als Anrufer
Trytian
angezeigt. Scheiße, was denn jetzt schon wieder?
Ich nahm ab, hörte mir an, was Trytian zu sagen hatte, und wandte mich dann wieder den anderen zu. »Geben die denn nie Ruhe? Van und Jaycee wurden auf einem Friedhof gesehen. Offenbar wecken sie zusammen mit Telazhar ein paar Tote auf – wer weiß, was sie mit denen vorhaben? Chase, können wir uns ein paar Waffen borgen? Natürlich keine Schusswaffen, ich weiß, aber mein Dolch liegt zu Hause, genau wie Camilles, und Trillians Schwert auch.«
Chase nickte. Er schickte Shamas los, damit er uns aus dem Arsenal ein paar lange Dolche holte. Wir schlüpften inzwischen in unsere Jacken. »Ich würde euch gern helfen, aber ich brauche meine Männer hier, falls es Ärger mit diesen Demonstranten geben sollte. Gambit sitzt hier in einer Zelle – am Ende versuchen sie noch, das Hauptquartier zu stürmen.«
»Kein Problem. Wir kümmern uns schon darum«, entgegnete ich zuversichtlicher, als mir zumute war. Shamas kam angerannt und reichte Trillian, Camille und mir drei ziemlich lange Dolche in Lederscheiden. Kein Silber, aber sie hatten Griffe aus kaltem Stahl und waren sicher ordentlich scharf. Auf dem Weg zum Ausgang sagte ich Camille, wo es hinging.
»Wir müssen zum Freeburg Cemetery, das ist ein abgelegener Friedhof in West Seattle.« Die Gegend lag nicht weit vom Industrial District und damit vom Energy Exchange Club entfernt.
Als wir hastig zur Tür
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