Katzenmond
der Nähe der Grabhügel heraus. Vor Jahrhunderten hatte hier das Elfenorakel Sarasena gelebt. Banditen hatten sie ermordet, und seither wuchs keine einzige Pflanze mehr auf den Hügeln. Die Geister längst verstorbener Elfen wandelten dazwischen umher, flüsterten vor sich hin und hingen ihren rätselhaften Gedanken nach. Die Toten früherer Kriege in ewigem Zögern, Erinnerungen, die nicht zur Ruhe kommen konnten.
Die Hügel hatten eine gespenstische Atmosphäre, die mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagte, wenn wir hier durchkamen. Camille konnte die Geister sehen, und Shade und Morio ebenfalls. Ich spürte sie immer deutlicher, je länger Greta mich unterwies. Sie hatte mir erklärt, dass ich irgendwann Gespenster und Geister ganz selbstverständlich sehen würde.
Ich blickte mich um. Inzwischen müsste Morio über den Flüsterspiegel Trenyth, den Sekretär und Berater der Königin, kontaktiert haben. Und … da war er, pünktlich auf die Minute.
Wie alle Elfen sah Trenyth viel jünger aus, als er tatsächlich war. Er war die Loyalität in Person, und ihm schien selbst nicht bewusst zu sein, dass er in Königin Asteria verliebt war. Insgeheim hoffte ich ja, dass sie seine Gefühle eines Tages erkennen würde. Aber der Altersunterschied war vermutlich zu gewaltig, als dass sie sich auf eine Liebesaffäre mit ihm einlassen würde. Vom Standesunterschied ganz zu schweigen.
Trenyth lächelte herzlich. »Camille, Delilah! Willkommen. Morio hat mich über euren Besuch informiert. Könnt ihr denn eine Weile bleiben?« Er bemerkte Chase und neigte den Kopf. Die beiden waren sich schon einmal begegnet. »Chase – welch angenehme Überraschung.«
Chase streckte die Hand aus, und Trenyth, der diese Begrüßung inzwischen gewöhnt war, ergriff sie. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich die Mädels begleite.«
»Ganz und gar nicht.« Trenyth wies auf eine geschlossene Kutsche. Zwei Pferde waren davorgespannt – die Nobla Stedas, ähnlich den Clydesdales der Erdwelt, waren prachtvoll, kräftig und königlich.
»Wir können leider nicht lange bleiben, höchstens ein paar Stunden. Aber wir müssen mit dir und der Königin sprechen. Es ist sehr dringend. Wir haben unschöne Neuigkeiten.« Ich folgte Trenyth, und Camille, Smoky und Chase kamen mir nach. Chase blickte sich mit großen Augen um.
»Unglaublich.« Er holte zu mir auf. »Die Luft ist hier so klar. Nicht zu fassen, wie gut sie sich in der Lunge anfühlt. Wie damals, als ich mit dem Rauchen aufgehört habe. Mir wird beinahe schwindelig davon.« Chase hatte das Rauchen meinetwegen aufgegeben und es geschafft, nicht wieder damit anzufangen, nachdem wir uns getrennt hatten. Er neigte den Kopf zur Seite. »Und da ist noch etwas. So ein … Kribbeln …«
»Magie.« Camille ließ sich vom Kutscher in das Gefährt helfen. »Du spürst die Magie, die hier die Luft und das Land durchdringt. Die Anderwelt ist magisch, bis in jedes Atom hinein. Durch deine erwachenden Fähigkeiten wirst du sensibler für solche Dinge.«
Er nickte und stieg nach ihr in die Kutsche ein. Wir folgten ihnen. Smokys Kopf streifte die Decke. Wir rollten die Straßen entlang, und die Hufe der Pferde klapperten laut auf dem Pflaster. Chase starrte aus dem Fenster, mit einem Gesichtsausdruck, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte.
»Ich habe schon Dinge gesehen, an die ich vor fünf Jahren nie geglaubt hätte. Trotzdem komme ich mir jetzt vor, als wäre ich ins Wunderland geraten. Wie Alice im Kaninchenloch.« Sein Gesicht strahlte, und er sah so aufgeregt aus, dass ich nicht anders konnte. Ich beugte mich vor und küsste ihn auf die Wange. Er legte eine Hand an sein Gesicht, lächelte mich an und drehte sich dann gleich wieder zum Fenster um.
»Die Häuser! Sie sind ganz anders.«
Trenyth lächelte sanft und wandte sich an Camille. »Ich spreche ungern ein schmerzliches Thema an, aber hat euer Vater in letzter Zeit Kontakt zu euch aufgenommen?«
Sie ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn stumm.
»Warum? Hat Tanaquar sich endlich einen neuen Liebhaber genommen?« Ich schnaubte. »Trenyth, unser Vater ist wirklich ein schmerzliches Thema, vor allem für Camille. Falls du also nicht gerade irgendetwas weißt, das wir unbedingt erfahren sollten …«
»Ich weiß, aber …« Er rieb sich das Kinn und seufzte. »Es gibt Gerüchte … Ich weiß nicht, ob etwas Wahres daran ist, aber es heißt, zwischen dem Botschafter und Königin Tanaquar sei es zu einem
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