Katzenmond
kennt mein Schicksal?« Er klang entsetzt.
»Nein, Chase. Niemand kann das Schicksal vorhersagen außer den Ewigen Alten. Doch wir haben gewisse Möglichkeiten gesehen, und wir möchten, dass du vorbereitet bist, damit du eine gute Grundlage für deine Entscheidung hast, wenn du einen Weg wählen musst.« Sie hob die Hand. »In deiner mütterlichen Linie gab es vor tausend Jahren einen Mann unseres Volkes, der einer Menschenfrau namens Rosalia begegnete. Sie war eine Kräuterheilerin und lebte allein in dem Land, das man heute Italien nennt, an der Küste des Ionischen Meers. Sie hat nie geheiratet, doch dieser Elf namens Tristan verliebte sich in sie. Sie wurde schwanger, fürchtete sich jedoch zu sehr davor, ihn in die Anderwelt zu begleiten.«
Chase lauschte hingerissen. Es war, als sei der ganze Rest des Thronsaals verschwunden und ihre Stimme der einzige Laut auf der Welt.
»Rosalia gebar Zwillinge, Io und Cris, und beide gediehen prächtig. Sie waren Halbelfen, und Tristan besuchte sie oft. Io entschied sich als junger Mann dafür, mit seinem Vater in die Anderwelt zurückzukehren, während Cris erdseits blieb. Cris verbarg sein Erbe, doch er heiratete und bekam Kinder, die ebenfalls gut gediehen. Er erzählte ihnen von ihrer Abstammung, doch er stürzte von einer Klippe in den Tod, als er noch recht jung war – sowohl nach menschlichen als auch nach elfischen Maßstäben. Seine Kinder vergaßen seine Geschichte nicht und gaben sie an ihre eigenen Kinder weiter. Elfen und auch Mischlinge mit Elfenblut sind sehr langlebig, aber Unfälle und Verletzungen endeten damals oft tödlich, und viele von ihnen starben jung.«
»Ich habe nie solche Geschichten gehört. Nichts von irgendwelchen Verwandten, die besonders alt geworden wären, oder Liebesaffären mit Wesen aus einer anderen Welt.« Chase stieß den Atem aus, sank auf seiner Bank zusammen und griff geistesabwesend nach einem Stück Gebäck.
»Das überrascht mich nicht. Im Lauf der Generationen wurde das Blut immer dünner, da kein frisches Elfenblut mehr hinzukam, und die Geschichte von Rosalia und Tristan wurde zur Legende und geriet schließlich in Vergessenheit. Doch Tristan hat stets aus der Ferne über seine Kinder und Enkel und deren Enkel gewacht.« Sie machte eine kurze Pause. »Möchtest du ihn kennenlernen? Tristan, den Elfenvater deiner Blutlinie?«
Camille riss den Kopf hoch. Smoky starrte Königin Asteria an, als seien ihr Hörner gewachsen. Und ich … ich verschluckte mich und hustete, dass die Krümel nur so flogen.
Chase packte meine Hand und drückte sie so fest, dass ich beinahe das Gesicht verzog. »Kann … ist das möglich?«
Königin Asteria warf Trenyth einen Blick zu. »Würdest du Chase bitte zu dem Elfen bringen, der seine Blutlinie begründet hat, während ich mich noch mit Delilah und ihrer Schwester unterhalte?« Und ehe jemand noch ein Wort sagen konnte, hatte Trenyth Chase sanft durch eine Tür geschoben, um ihm seine persönliche Geschichte vorzustellen.
Während Chase also etwas über die ferne Vergangenheit seiner Familie erfuhr, berichteten wir Königin Asteria, was in der jüngsten Vergangenheit mit Van, Jaycee und den Treggarts passiert war. Widerstrebend enthüllte ich ihr auch, dass Wilbur uns ausspioniert und darüber Aufzeichnungen geführt hatte. Er war zwar kein Verräter, doch die Informationen über uns inklusive der Tatsache, dass Königin Asteria die Geistsiegel verwahrte, konnten bereits an Schattenschwinge gelangt sein.
Die Königin seufzte. »Das sind schlimme Neuigkeiten. Sollte es Schattenschwinge gelingen, in die Anderwelt durchzudringen, werden wir sein erstes Ziel sein. Und selbst wenn es ihm nicht gelingt, wird er gewiss die Goblins oder Oger oder die Hexer aus den Südlichen Ödlanden hierher schicken, damit sie ihm diese Arbeit abnehmen.«
»Das war unsere Befürchtung. Jaycee ist tot. Heute Abend nehmen wir uns Van und Newkirk vor. Wenn wir siegen, werden wir Euch ein weiteres Geistsiegel bringen. Wenn nicht … wer weiß, was dann mit dem Ding geschieht?« Ich trat frustriert mit der Stiefelspitze gegen den Boden. »Was ist mit Euren Paladinen? Hattet Ihr nicht gesagt, dass sie uns helfen können, die Portale zu reparieren?«
»Erst wenn wir alle sieben Paladine haben. Neun – mit neun Siegeln – wären natürlich am besten. Bisher haben wir aber nur fünf. Für eines der Geistsiegel, die nicht Ben, Venus und Amber gehören, habe ich einen passenden Keraastar gefunden.
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