Katzenmond
Tage. Was jetzt?«
»Was meinst du?«
»Na, spielst du jetzt deinen Joker aus, oder wie?«
Beim Essen ließ Nico verlauten, dass sie am Abend ein paar Freundinnen erwartete, um Lilly Bärmanns Geburtstag nachzufeiern. Sie lud Liebermann nicht aus, sie prophezeite ihm nur, dass er sich in Gegenwart der Damen totlangweilen würde. Liebermann kam die Warnung gelegen, bot sie ihm doch die Möglichkeit, sich respektvoll zurückzuziehen, ohne seine eigenenAbendpläne preisgeben zu müssen. Scheinheilig übernahm er vorher noch das Zu-Bett-Bringen der Mädchen.
»Bist du traurig, weil ich dich nicht abgeholt habe?«, fragte er Miri, als er ihr die Decke bis zum Kinn zog.
Sie schob sie wieder herunter. »Nico hat mich doch abgeholt.«
»Klar, aber hast du nicht auf mich gewartet?«
»Wir haben Doppel-E gespielt«, sagte sie diplomatisch und fing Dienstag ein, der wie von Furien gehetzt über ihr Bett jagte. Mit einem geschickten Griff in den Nacken brachte sie ihn zum Erschlaffen. »Den hat mir Nico gezeigt.«
»Sehr effektiv. Ich verspreche dir, dass ich dich morgen abhole.«
»Und Laura zeigt mir, wie man mit Katzen spricht.« Miri ließ Dienstag neben das Bett fallen. »Sie hat’s von ihrem Freund gelernt, weil seine Mutter eine Katzenfarm hat.«
Liebermann stutzte. Freund? Wahrscheinlich meinte sie David. Er zuckte die Achseln. »Das kann jeder. Dazu braucht es keine Katzenfarm.«
Miri wandte ihm ihr Gesicht zu. Es war rosig und erinnerte ihn seltsamerweise an Nico. »Du auch?«
»Jeder, die meisten probieren es nur nicht.«
»Das Problem ist nämlich, dass Katzen einen nicht verstehen«, knurrte Zyra aus der anderen Zimmerecke.
»Tun sie wohl!«, beharrte Miri. »Wenn man ihre Sprache spricht.«
»Miau«, machte Liebermann und wuschelte ihr über den Schopf.
Sie tauchte unter ihm hinweg. »Katzen sagen nicht Miau. Höchstens Mäau. Das bedeutet: Ich habe Hunger, oder: Warum kommst du so spät?«
»Oder sie sind einfach unzufrieden«, ergänzte Zyra, ohne ihre Zeitschrift sinken zu lassen. Es war eine Zeitschrift, für die sie eigentlich noch zu jung war, fand Liebermann.
»Ja«, sagte Miri. »Ansonsten reden sie mit den Ohren, mit den Augen und mit dem … mit ihrer …«
»Haltung«, sagte Zyra.
»Genau.«
Liebermann stand auf. »Na gut. Nehmt Unterricht, und wenn ihr was gelernt habt, lasse ich euch übersetzen, falls Serrano mir wieder mal was sagen will.« Er küsste die Mädchen mit dem Gefühl, zwei Joker auf einmal auszuspielen, und ging. Als er die Tür schloss, fiel ihm ein, dass Miri keine seiner Fragen beantwortet hatte.
15
Constanze van Hoefen saß auf dem Bett, lauschte geistesabwesend Fetzen von Klaviermusik, die sich aus dem Salon in ihre Kammer hinauffädelten, und tupfte sich mit dem Blusenärmel ein paar Tränen aus den Augen. Sie drängten sofort nach.
Vielleicht hatte Frau Laurent recht, und sie war für diese Ausbildung zu schwach.
»Der beste Unterricht bringt nichts, wenn du nicht lernst, dich zu beherrschen«, hatte sie heute Mittag gesagt. »Wie willst du deine Interessen durchsetzen, wenn du dich zum Opfer deiner Stimmungen machst? In dem, was wir anstreben, meine Liebe, sind wir gleichermaßen Werkzeug und Meister. Scheitert der eine, ist auch der andere nichts wert.«
»Ich weiß.«
Frau Laurent hatte geseufzt und sich zu ihr hinabgebeugt. »Du bist meine beste Schülerin, Constanze. Aber du weißt auch, dass du ohne mich nicht hier wärst.«
Constanze hatte tief durchgeatmet und genickt. Klar wusste sie das, seit Knut verging kein Tag, an dem sie nicht daran dachte.
»Ich erkenne einen Edelstein, wenn ich ihn vor mir habe.« Frau Laurents Stimme war sanfter geworden, fast zärtlich. »Auf den ersten Blick habe ich gewusst, dass du mit der richtigen Ausbildung wie ein Schwan aus einem Hühnerhof aufsteigen würdest.« Als Constanze den Kopf hob, hatte sie in zwei tiefe grüne Augen geblickt. »Ich habe diese Schule aus der Taufe gehoben«, sagte Frau Laurent leise, »und du kannst dir denken, wie viele Widerstände ich dabei überwinden musste. Aber jetzt läuft sie, und in zwei, drei Jahren wird sie sich, falls nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt, etabliert haben. Ich glaube, dann wäre es Zeit für einen Ableger. Derzeit liebäugle ich mit Hamburg,dort sind sie weniger prüde als hier und im Süden. Was ich sagen will: Sobald ich eine zweite Schule eröffne, wird diese hier eine neue Leiterin brauchen.« Sie hatte eine beredte Pause einkehren lassen, um
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