Katzenmond
Farbe spritzen. Es ist die Farbe, die so stinkt. Wie heißt du?«
Der Kater senkte die Nase mit neu erwachtem Interesse auf das Papier. »Lomo. Bist du dir sicher? Wie können diese Hilfsmittel ein derart exaktes Bild von einem Menschen machen?«
»Sie nehmen dem Menschen das Bild mit einem anderen Hilfsmittel ab und stecken es in das mit der Farbspritze.«
»Ohne den Menschen dabei zu zerstören?«
Serrano lächelte über die Verwunderung des anderen. Auf den ersten Blick schien Lomo ihm nicht der Typ, der fünfbeinige Spatzen sah. Eher einer, der über die Struktur ihres Gefieders grübelte. Vorsichtshalber vergewisserte er sich, dass er es mit dem Richtigen zu tun hatte. Ja, er lebe auf einem der Boote, sagte Lomo, während er mit einer Kralle auf dem Blatt herumkratzte. Es zerriss. Seufzend stieß Lomo es beiseite. »Warum?«
»Weil ich in diesem Falle eine Auskunft von dir brauche.«
»Auskunft jederzeit, Asyl nein, Fische aus dem Fluss nur nach Absprache, dasselbe gilt für die Weibchen der Gegend.«
»Wo du schon Weibchen erwähnst«, hakte Serrano ein, »eines davon erzählt herum, du wärst Zeuge eines bestimmten Vorfalls gewesen.«
»Ich bin häufig Zeuge bestimmter Vorfälle«, bekannte Lomo.
»Der, den ich meine, rankt sich um eine menschliche Leiche, die hier unten am Ufer gelegen haben soll.«
»Ah!«, machte Lomo und kratzte sich hinter dem Ohr. Unwillkürlich rückte Serrano ein Stück von ihm ab.
»Keine Angst, ich habe keine Flöhe, im Gegenteil: Die Impfung juckt. Bist du schon mal gegen Flöhe geimpft worden?«
»Nein.«
»Sei froh. Tja also, der Menschenkadaver. Ich muss zugeben, dass er mich für eine Sekunde aus der Bahn geworfen hat. Stell dir vor, du kommst gut gelaunt vom Frühstück, bist auf dem Weg zum Putzplatz – in meinem Fall dieser Steg hier –, ausnahmsweise scheint die Sonne, und dann so was!« Er schüttelte den Kopf.
»Was?«
»Leute überall! Welche, die ein Netz aus komischen Schnüren legen, andere, die wie die Asseln durcheinanderrennen. Und mittendrin die Leiche. Tot getrampelt, dachte ich zuerst. Als Nächstes hab ich mir gesagt: Lomo – leg die Ohren flach!, und hab mich rangepirscht. Und was soll ich dir sagen?« Er sah Serrano triumphierend an. »Er kam aus dem Fluss! Er war nämlich patschnass. Außerdem hatte er keine Verletzungen.«
Serrano erbat einen Moment zum Nachdenken, dann forderte er ihn auf fortzufahren.
»Na ja, das war’s schon fast. Habe ich eigentlich erwähnt, dass es ein Männchen war? Und drum herum hüpften gut ein Dutzend seiner Artgenossen, manche mit Kästen vor den Augen.«
»Was für Kästen?«
»Weiß ich, Kästen eben. Oder Schachteln, wenn dir das lieber ist, in verschiedenen Größen und Farben. Als ob man durch eineSchachtel sehen könnte, aber sie haben so getan. Daran siehst du, wie verrückt sie waren.«
»Ach so«, sagte Serrano, der plötzlich begriff. »Das sind die Hilfsmittel, von denen ich sprach. Diese Kästen fangen Bilder von denjenigen ein, auf die man sie richtet.«
Lomo riss die Augen auf. »Was du nicht sagst! Könnten sie auch eins von mir fangen?«
»Wahrscheinlich. Aber lass dich nicht ablenken.«
»Nein, nein. Die haben Bilder von dem Kadaver gemacht, meinst du?« Lomo geriet ein wenig außer sich. Dann konzentrierte er sich wieder. »Weißt du, was ich seltsam finde?«, fragte er. »Dass sie – wenn es stimmt, was du sagst – ausschließlich Bilder von dem Kadaver gemacht haben. Dabei stand doch genug anderes Volk herum, das man hätte einfangen können, und nicht zuletzt war ich da. Nicht, dass ich mich vordrängeln wollte, aber alles scheint mir abbildungswürdiger als ein feuchter menschlicher Kadaver.«
»Das zeigt uns, dass er eine Bedeutung hatte.«
»Kaum, denn seitdem hat sich hier nichts verändert, wenn man von einem Typen absieht, der jetzt häufiger am Ufer entlangstreunt. Außerdem erkenne ich das Ungewöhnliche. Der Nasse letztens war ganz normal, nur eben tot.«
»Ich behaupte auch nicht, dass er ungewöhnlich war, sondern bedeutsam.«
Lomo linste ihn schräg an. »Du bist ein komischer Vogel. Sind menschliche Kadaver so etwas wie eine Manie von dir? Nicht, dass es mich stören würde, aber es würde mir erklären, was mit dir los ist. Es würde mich gewissermaßen beruhigen.«
»Vielleicht beruhigt es dich noch mehr, wenn ich dir sage, dass dieser Kadaver mich im Grunde überhaupt nicht interessiert.
Dass ich nach ihm frage, hat einen anderen Grund. Ich erkläre ihn dir,
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