Katzenmond
sie, nachdem sie ihre Nummer daraufgeschrieben hatte. »Jetzt müssen Sie nicht jedes Mal extra herkommen.«
Liebermann nickte und ging zur Tür. Auf halbem Wege kehrte er noch einmal um und zeigte auf das Bild über dem Bett. »Wenn Sie Bathseba sind«, fragte er, »wen stellen dann die beiden Männer neben Ihnen dar?«
Erstaunt sah Constanze nach oben. »Urija und David, warum?«
»David?« Liebermann kniff die Augen zusammen und fasste den blonden Jüngling zur Rechten der duschenden Schönheit genauer ins Auge. Eine sehr vage Ähnlichkeit, wenn überhaupt.
»Sie betrachten den Falschen«, sagte Constanze. »Das ist Urija. Sie kennen sich wohl nicht besonders aus in der Bibel, sonst würden Sie die beiden an ihren Insignien erkennen. David trägt einen goldenen Gürtel mit einem Judenstern als Schnalle, und sein Pullover ist purpurrot, was den König auszeichnet. Urija war Soldat, weshalb seine Lederjacke wie ein Harnisch mit Armschienen geschnitten ist. Abgesehen von den Haaren erinnert er ein bisschen an Timmi in Alltagstracht, finde ich.«
Solcherart mit Hinweisen ausgestattet, fixierte Liebermann das Bild erneut. »Und was hat es mit den beiden auf sich?«
Mit einem halb amüsierten, halb mitleidigen Lächeln trat Constanze neben ihn. »Es handelt sich hier um eine der bekanntesten Geschichten des Alten Testaments, die während der letzten Jahrhunderte von der Kunst vielfach interpretiert worden ist.« Sie deutete auf den blonden Jüngling. »Urija stand als Hauptmann im Dienst Davids. Dummerweise grenzte sein Haus an den Garten des Königs, und eines unglückseligen Tages beobachtete David Urijas Frau Bathseba dabei, wie sie ein Bad nahm.«
»Wo? Auf der Terrasse.«
Sie lächelte. »Warum nicht. Nehmen wir es als Hypothese an. David verliebte sich jedenfalls, ließ Bathseba zu sich kommen,fand sie aus der Nähe noch reizvoller und wollte sie für sich haben. Es gab nur einen, der ihm dabei im Weg stand. Nun, aber wozu ist man König, nicht wahr? David schickte Urija kurzerhand an eine heiß umkämpfte Front und wies den Oberbefehlshaber der israelischen Truppen an, ihn in die erste Kampfreihe zu stellen. Wie zu erwarten, fiel Urija bald. Darauf nahm David die zu diesem Zeitpunkt bereits von ihm schwangere Bathseba als legitime Frau.« Constanze schwieg einige Sekunden, dann fügte sie hinzu: »Gott bestrafte ihn damit, dass er das Kind sterben ließ.«
Liebermann ließ seine Augen nochmals über das Bild schweifen. Er erkannte den Tod in Urijas Augen und die gestreckten Waffen. »Was hält David da in der Hand?«
»Einen iPod«, sagte Constanze. »Er stellt eine moderne Variante der Tafel mit den Zehn Geboten dar. Wenn Sie genauer hinsehen, erkennen Sie aber nur drei auf dem Display. Zehntes Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib. Sechstes: Du sollst nicht ehebrechen. Fünftes: Du sollst nicht töten. David hat gegen alle drei verstoßen, obwohl er als König eigentlich die oberste moralische Instanz seines Volkes hätte sein sollen. Aber das ist nur eine der typischen pathetischen Spielereien von Menne, dem Künstler. Eigentlich geht es schlicht um Erotik. Menne hat die beiden Männer nicht zufällig kleiner gemalt als mich, und meines Wissens hat er sich für sie auch keine Modelle kommen lassen. Was interessiert Sie eigentlich an dem Bild?«
Liebermann schob die Rechte in die Jackentasche und beförderte einen pinkfarbenen Zettel ans Licht. »Manchmal fallen mir Dinge auf. Wenn ich sie mir nicht erklären kann, notiere ich sie mir bis auf weiteres. Eine Art Zwischenablage, die mir den Kopf für anderes freihält. Jeder hat so seine Strategien.« Er knüllte ihn zusammen. »Gelöscht«, sagte er. »Für die Frage nach dem Ring hingegen habe ich keinen Zettel. Er besetzt meinen Kopf in vollem Umfang.«
Sie sah zur Seite. »Das habe ich begriffen.«
»Es liegt an Ihnen, etwas dagegen zu tun.« Liebermann wandte sich zur Tür. »Noch eine Frage«, sagte er, als er nach der Klinke griff. »Könnte es sein, dass Sie ein Mann verehrt, der nicht mit Knut Kaiser identisch ist? Einer vielleicht, der eher eine Art Harnisch tragen würde?«
Er wartete, den Blick auf den hellbraunen Mantel geheftet, der hinter der Tür an einer bunten Hakenleiste hing.
»Vorsicht«, sagte Constanze sanft. »Verwechseln Sie die Kunst nicht mit der Wirklichkeit! Das Bild ist nur eine Allegorie.«
Liebermann lächelte. »Das heißt, schwanger sind Sie also nicht?«
In seinem Rücken bewegte sich kein
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