Katzenmond
mir. Du hast dich um Wichtigeres zu kümmern«, fügte sie mit einem sanften Blick auf Trudis Wanst hinzu. Lange konnte es nicht mehr dauern, ein paar Tage höchstens, ehe die neuen Grenzlinge ins Licht der Welt stolperten.
Mit gemischten Gefühlen sah sie Trudi nach, dann machte sie sich auf den Weg zu Serrano.
Unterwegs schlug sie absichtlich ein gemäßigtes Tempo an. Es gefiel ihr nicht, wie die Dürre über ihren Exgeliebten verfügte. Streuner hatte recht, Serrano war nicht mehr der Alte. Noch immer westen Krümels Überreste ungeklärt vor sich hin, und er verplemperte seine Zeit mit einer hässlichen Dürren und einem Disput über Zweitaugen! Was ging es ihn an, ob irgendein Mensch irgendwelche Zweitaugen an sich genommen hatte, was hatte das mit Krümel zu tun?
Sie, Maja, hatte Serrano etwas wirklich Wichtiges mitzuteilen. Vor ihrem Ausflug zu Trudi hatte sie einen Gast empfangen. Ein jüngeres Weibchen, das vor einigen Wochen zwei Aufgänge rechts von ihr eingezogen war. Sie hatte sich auf Majas Aufruf nach Zeugen für den menschlichen Umgang ihrer Tochter gemeldet, spät zwar, aber immerhin.
Zunächst hatte Maja am Bericht ihrer Informantin gezweifelt. Bis sie die Schuhe erwähnt hatte. Schwarze Streifen auf weißem Grund. Und … den Napf.
Verdammt, dachte sie, als sie durch den Zaun von SerranosVorgarten schlüpfte und vor dem leeren Flieder stand: Jetzt, wo es endlich voranging, war er nicht da!
Liebermann schob sich gerade eine Portion Käsespätzle in den Mund, als Kommissarin Holzmann zurückrief. Mit einem Nicken bat er Simon, den Anruf entgegenzunehmen. Es folgte ein wenig höfliches Geplänkel, währenddessen Simon sehnsüchtig auf die Käsekruste seiner Pasta schielte. Dann verstummte er und hörte nur noch zu. Noch etwas später zog er hektisch einen Kugelschreiber aus der Tasche und kritzelte etwas auf das Platzdeckchen unter seinem Teller. Als er das Handy endlich niederlegte, war sein Blick argwöhnisch. »Woher wussten Sie das?«
»Wasch?«, nuschelte Liebermann, den Mund voll Spätzle.
»Dass Kaiser vor der Eröffnung seiner Praxis im Josefs-Krankenhaus angestellt war. Erst als Assistenzarzt, dann als stellvertretender Oberarzt der Inneren. Zwei Tage vor der Aufnahme von Sylvia Morgenstern im Bergmann hatte er Dienst in der Notaufnahme. Ich brauche Ihnen wahrscheinlich nicht zu sagen, wer unter den Patienten saß.«
Liebermann schluckte. »Und wie lautete Kaisers Diagnose?«
»Alkoholintoxikation«, sagte Simon mit einem Blick auf seine Notizen.
»Bitte?«
»Kater. Er hat ihr eine Kopfschmerztablette verpasst und sie wieder nach Hause geschickt.«
Behutsam legte Liebermann die Gabel ab. Dann verließ er Simon und ging zur Theke, wo er eine Weile herumwanderte, ehe er sich einen Zahnstocher aus einem Schälchen nahm und an den Tisch zurückkehrte. Schweigend hob er die Gabel wieder auf. Er aß mit der Gleichförmigkeit eines Automaten, trank ab und zu einen Schluck Wasser und runzelte zwischendurch die Stirn, als versuchte er sich an einer komplizierten Gleichung. Alser seinen Teller geleert hatte, schob er ihn von sich und pellte den Zahnstocher aus der Verpackung.
»Simon«, sagte er. »Wenn Sie die Geschichte der kleinen Morgenstern einmal im Ganzen betrachten: Was sehen Sie da?«
»Fahrlässigkeit mit tödlichem Ausgang«, antwortete Simon unschlüssig.
Der Zahnstocher fuhr in die Höhe. »Fahrlässigkeit«, murmelte Liebermann. »Sollten wir hier den Boden haben?«
»Den Boden wovon?«
»Von Schopenhauers Topf. Sehen Sie, Sylvias Tod liegt siebzehn Jahre zurück. Falls er also etwas mit dem Mord an Kaiser zu tun hätte, würde er den Boden bilden. Aber nur ein Boden ist nichts wert. Demnach müssen wir die Wand rekonstruieren, und zwar mit Hilfe der Splitter, die uns zur Verfügung stehen. Einer davon könnte der Freund sein, mit dem Silvia damals in diesem besetzten Haus gelebt hat. Sind Sie gebürtiger Potsdamer, Simon?«
»Ja, aber dreiundneunzig war ich acht. Und ich hoffe, dass Sie Jana Holzmann nicht auch noch die Bewohner aller damals besetzten Häuser ausfindig machen lassen wollen.«
Die Warnung schien Liebermann einen Moment lang zu inspirieren. »Nein«, sagte er dann bedauernd. »Ich bezweifle, dass der Großteil ihrer Bewohner bei den jeweiligen Adressen gemeldet war. Aber lassen Sie uns trotzdem ein wenig spinnen. Das entspannt und sortiert mich. Also, besetztes Haus. Das Mädchen stirbt. In den Augen ihres Freundes trägt Kaiser daran die
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