Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
Vom Netzwerk:
nicht.«
    »Ist aber so. In einer halb verfallenen Villa. Der Alte vom Friedhof hat ihnen damals mal eine Ladung Heizholz rausgefahren und war hochbeeindruckt von ihrem Garten. Und von ihrer Großzügigkeit. Für das Holz haben sie ihm damals eine Putte von der Terrassenmauer geschenkt. Und jetzt kommt’s: Ein Geschwister dieser Putte ziert seit knapp zwei Wochen Sylvias Grab.«
    »Verdammt«, murmelte Liebermann.
    »Sie sagen es. Im Übrigen versteht der Alte nicht, warum Wiese sich mit seinem Laden unbedingt wieder an der Stätte seines Traumas ansiedeln wollte.«
    »Eine Art Therapie vielleicht«, sagte Simon. »Konfrontation statt Verdrängung. Darüber hab ich mal was gelesen.«
    Liebermann stieg ins Auto. Simon folgte ihm mit den Bechern. Kaum saßen sie, als Kommissarin Holzmann raunte: »Müller kommt! Soll ich ihn ans Telefon holen?«
    »Nein. Passen Sie nur auf, dass er bleibt, wo er ist. Ich melde mich wieder.«
    Liebermann steckte das Handy ein. »Die Rekonstruktion unseresTopfes wird mir langsam unheimlich, Simon. Ich fürchte, dass am Ende eine Urne herauskommt.«
    »Jetzt müssen wir ihn zu Ende töpfern«, entgegnete Simon pragmatisch. »Vielleicht hat die KTU dort schon was über die Briefe rausgefunden.« Er zog sein eigenes Handy aus der Tasche. Bevor er es ans Ohr halten konnte, drückte Liebermann seine Hand behutsam wieder hinunter.
    »Nicht nötig. Die entscheidenden Fingerabdrücke stammen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit von Timotheus Wiese. Und der schwarze Fleck auf dem Umschlag von einer Unterlage, auf die sich ein Rest Schmieröl verirrt hatte. Ich schlage vor, dass wir in die Geschwister-Scholl-Straße fahren.«
    Simon klappte der Mund auf. »Schmieröl?«
    »Ja«, erwiderte Liebermann. »Aus seinem Fahrradladen.«
    Zu Simons Erstaunen protestierte der Händler nicht, als Liebermann ihn bat, sie zu begleiten. Er wischte wortlos die Hände an einem Handtuch ab und griff nach seiner Lederjacke. Auf dem Bürgersteig blieben Leute stehen und sahen zu, wie Timmi Wiese in den BMW stieg. Ein Riese mit Kellnerschürze stürzte aus einer Bar gegenüber und versuchte, über die Fahrbahn zu kommen, wurde aber von einer Straßenbahn daran gehindert. Als sie vorbeigefahren war, ging Liebermann zu ihm hinüber und sprach leise auf ihn ein. Darauf stemmte der Riese die Fäuste in die Hüften und schüttelte den Kopf. Mit verschlossenem Gesicht kehrte Liebermann zu Simon zurück. »Fahren wir.«
    Eine Stunde später saß Timmi im Büro des Hauptkommissars und beschäftigte sich konzentriert mit der Nagelhaut seiner linken Hand, ohne Müller zu beachten, der zum zwanzigsten Mal nach seinen Magenpillen tastete.
    Nach einer eiligen Instruktion hatte Liebermann ihm die Gesprächsführung überlassen. Der Grund war so simpel wie feige:Falls etwas schiefging, würde der Oberkommissar Timmi und seinen Freunden danach nicht täglich vor der Haustür begegnen. Zudem bereitete es Liebermann ein geheimes Vergnügen, Müllers Sicherheit in Hinblick auf Constanze van Hoefens Schuld wanken zu sehen. Zumindest dieser Plan ging halbwegs auf. Nicht weil Timmi gestand, sondern weil er schwieg, was für Müller auf dasselbe hinauslief.
    Mittlerweile zeigte der Oberkommissar erste Zeichen von Erschöpfung. Er hatte gebrüllt, gedroht und mit der Faust auf den Tisch geschlagen, ohne dem Kahlkopf mehr als die Bestätigung abzuringen, bis Juni auf dem Neuen Friedhof gearbeitet zu haben. Etwas später ließ Timmi sich noch, wohl mehr aus Mitleid denn aus Auskunftsfreude, dazu herab, seinen ehemaligen Wohnsitz und die Nebentätigkeit als Gesellschafter an der Aphrodite hinzuzufügen. Liebermann verließ leise den Raum und kehrte mit Simon zurück.
    »Sie können Pause machen, Müller!«
    Der Oberkommissar warf ihm einen hasserfüllten Blick zu, stand schwerfällig auf und stapfte wortlos aus dem Zimmer. Zögernd nahm Simon seinen Platz ein. »Hallo«, sagte er und räusperte sich. »Also ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich der Richtige bin, um die Vernehmung fortzusetzen. Ich bin noch in der Ausbildung.« Er lächelte Timmi schüchtern an. »Außerdem … ist … meine Schwester vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen und … Ich stelle mir gerade vor, dass jemand, den ich nicht kenne, mir gegenübersitzt und sie wieder ausgräbt.«
    Timmi starrte ihn an wie ein Gespenst. Dann blinzelte er und schloss die Augen.
    Von da an ging alles wie von selbst. Liebermann verstand die Welt nicht mehr. Am allerwenigsten

Weitere Kostenlose Bücher