Katzenmond
turbulent, weil ich ein paar neue habe. David durchforstet manchmal Sperrmüll nach historischen Ersatzteilen und tauscht sie bei mir ein. Na ja, eines Tages kam er statt mit Ersatzteilen mit zwei Katzen im Arm an. Meinte, er hätte sie vor seinem Haus gefunden, als er vom Morgenlauf zurückkam. Laura wollte sie nicht, also hat er sie mir gebracht. Er wusste, dass meine Leyla gerade geworfen hatte.«
»Wann war das?«
»Vor ’ner Woche ungefähr. Dienstag, glaub ich. Warum?«
»Weil mir am selben Tag auch eine gebracht wurde. Ein kleines schwarzes Biest mit einem Schwanz wie eine Flaschenbürste.«
Timmi hob die Brauen. »Schau an, scheint ein Drilling zu sein!«
»Du kannst ihn haben, wenn du willst.«
»Lieber nicht. Die beiden von David sind bissig. Noch so eins, und Leyla wird wahnsinnig.«
»Frank«, murmelte Simon vor sich hin.
»Er hat recht«, sagte Liebermann. »Was war mit Frank?«
Timmi berappelte sich. »Na ja, als ich im Laden fertig war, hatte ich Lust auf ein Bier. Aber nicht im Katinka, wo dieser Apostel von Ralph womöglich auf mich gelauert hätte. Also bin ich zu Frank.«
»Wie spät war es da?«
»So halb elf rum.«
»Um halb elf ist bei Frank nicht mehr viel los«, meinte Liebermann.
»Es war auch nur noch eine da. So eine Dicke, die es nicht eilig hatte.« Er habe ein wenig mit ihr geplaudert, während Frank seine Tageseinnahmen gezählt und dann die Bar abgeschlossen habe. An der Zeppelinstraße hätten sie sich getrennt. Wieder wollte Liebermann die Uhrzeit wissen. Irgendwas nach elf.
»Und dann?«
Timmi zuckte die Achseln. »Bin ich nach Hause. Der Abend war ja irgendwie zu Ende, oder?«
»Nicht für jeden.«
Unschlüssig saßen Liebermann und Simon vor dem Kahlköpfigen mit der Ledermontur. Beiden war klar, dass Timms Alibi nichts taugte, von dort aus allerdings gingen ihre Gedanken verschiedene Wege.
Simon fand es schade, dass ein so freundlicher Mensch wie Timmi derart in die Scheiße geraten konnte. Außerdem stellte er eine seltsame Veränderung im Gesicht seines Vorgesetzten fest. Liebermanns Augen hatten sich eingetrübt. Aber vielleicht war er nur müde, kein Wunder nach dem ganzen Theater heute.
Liebermann hingegen kämpfte gegen einen bedrückenden Unmut. Er selbst hatte die Straße zum Fahrradladen und zuTimmi geebnet, der keine anständigen Alibis vorweisen konnte, dafür aber ein bestechendes Motiv für zumindest einen der Morde und ein annehmbares für den zweiten. Dennoch war er nicht zufrieden.
Es klopfte. Kommissarin Holzmann erschien mit einem Tablett. »Teezeit.«
Liebermann sah sie verwirrt an, dann zur Uhr und sprang fluchend auf. »Ich muss los.«
»Und was ist mit Herrn Wiese?«, fragte Simon.
»Er soll seine Katzen füttern«, rief Liebermann und stürzte aus dem Büro.
Zum Glück hatte er seinen Peugeot heute früh nicht auf dem Parkplatz, sondern auf der Straße abgestellt. Eine halbe Minute gespart. Die entscheidende halbe Minute vielleicht. Da Liebermann wusste, dass ein weiterer Blick zur Uhr ihm nur Übelkeit bescheren würde, verzichtete er darauf. Solange er nicht hinsah, blieb es fünf vor fünf. Er trat aufs Gas.
Als die letzte Kreuzung auf dem Weg ins Viertel hinter ihm lag, atmete er auf. Miri würde im Hort ihre Kreise laufen, so wie er selbst es tat, wenn er ungeduldig war. Aber wenigstens war sie nicht ängstlich. Sie wusste, dass er kam, denn er hatte es ihr versprochen. Ihr, der wichtigsten Frau seines Lebens. Einer der beiden wichtigsten Frauen seines Lebens, verbesserte sich Liebermann und sprang mit beiden Füßen gleichzeitig auf die Bremse. Seine Stirn knallte auf den Airbag. Es gab das typische Geräusch der Zwangsvereinigung zweier Körper unterschiedlicher Dichte. Draußen schrie jemand. Liebermann registrierte es teilnahmslos. Er blieb einige Sekunden so liegen, den Kopf auf dem Luftkissen, und wartete darauf, dass Serrano die Straße verließ. Das Kissen roch ein wenig, aber es war angenehm prall. Vor allem jedoch hatte es ihm auf ewig den halben Satz eingestanzt, den er vor der Notbremsung gedacht hatte: eine der wichtigsten Frauen seines Lebens.
Als jemand an die Scheibe klopfte, hob Liebermann den Kopf. Er blickte in Nicos weißes Gesicht. Himmel, wie süß sie war, wenn sie Angst hatte! Lächelnd signalisierte er Wohlbefinden. Dann wies er auf den Kater, der sich keinen Millimeter von der Fahrbahn bewegt hatte. Wie von unsichtbaren Schnüren gezogen, bewegte Nico den Kopf. Liebermann nutzte die Zeit, um sein
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