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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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die Einsamkeit hier draußen.«
    »Welcher Tote?«, erkundigte sich die Touristin ängstlich.
    »Ein Fürst, dem aus Trauer über den Tod einer schönen Fischertochter das Herz brach. Auf die Stelle ihres Grabes geht der Name Potsdams zurück. Kommen Sie, ich erzähle es Ihnen vorn bei den Rädern.«
    Frank sah ihm mit zusammengezogenen Brauen nach. »Erst macht er einen mit seinem Geschwätz vom großen Unglück verrückt, und wenn man ihm dann eins serviert, glaubt er’s nicht.«
    »Du musst ihn verstehen«, meinte Liebermann. »Er will vor seiner Truppe das Gesicht wahren. Aber es ist ihm schwergefallen, hast du das nicht bemerkt?«
    »Nee.«
    »Er wird zurückkommen, verlass dich drauf. Wenn heute nicht, dann morgen. Wo, sagtest du gleich, liegt dieses Boot?«
    Frank ließ es sich nicht nehmen, Liebermann selbst dorthin zu begleiten. Die Bar war offiziell ohnehin noch geschlossen. Als sie an Ralphs Gruppe vorüberkamen, warf er den Kopf zurück und blickte ostentativ in eine andere Richtung. Mit gefurchter Stirn sah Ralph ihnen nach.
    »Hier bin ich vorgestern lang. So gegen halb elf. Ich geh immer diesen Weg nach Hause. Es gibt keinen anderen, und außerdem gefällt er mir.«
    Sie kamen an den Hausbooten vorbei. Auf dem Deck des linken hängte eine junge Frau gerade Wäsche auf, aus den geöffnetenFenstern des mittleren dröhnten Metal-Bässe. Nur die Tomatenplantage lag verlassen, offenbar predigte der kleine Feldmeyer seinen Schülern gerade die Mendel’schen Gesetze. Sie passierten zwei ältere Damen mit Hunden.
    »Gehört Feldmeyer auch zu deiner Kundschaft?«, erkundigte sich Liebermann.
    Verdutzt schielte Frank ihn an. Dann lachte er plötzlich auf. »Nee, zu meiner nicht.«
    »Zu welcher dann?«
    »Na, na, bin ich die Auskunft? He, pass auf, du Idiot!« Im letzten Moment sprang Frank zur Seite, um dem Zusammenstoß mit einem jugendlichen Radfahrer zu entgehen.
    »Kapierst du jetzt, warum er nicht am Tag ertrunken sein kann?«, fragte er, als er wieder an Liebermanns Seite zurückgekehrt war. »Und auch am frühen Abend nicht. Da ist es hier noch voller als jetzt. Jogger, Spaziergänger, Radfahrer, dann natürlich meine Gäste und die vom Hotel.« Er zeigte nach links auf die Stelle, wo am Vortag der fliegende Imbiss gestanden hatte.
    Etwa hundert Meter weiter hielt er vor einem klapprigen Kahn. »Der hier ist es.«
    Liebermann besah sich das Schiff. Auf seinen Wanderungen war er schon daran vorbeigekommen, allerdings ohne es sonderlich zu beachten. Er hatte es immer für irgendeinen abgetakelten Kutter gehalten, der früher oder später verschwinden würde. Sei es, weil er gesunken war oder weil eine gnädige Seele ihn verschrottet hatte.
    »Ein wackerer Kerl, nicht?«, sagte Frank.
    »Etwas rostig vielleicht.«
    »Ein bisschen. Mentel hatte es nicht so mit Sanierungen, oder er war nie lange genug nüchtern, um den Verfall seines Schiffs zu bemerken. Vor ein paar Wochen hat er sich einfach davongemacht, ohne ein Wort.« Er seufzte. »Tja, neuerdings hat er esscheinbar als Wolfszwinger untervermietet. So viel Geschäftssinn hätt ich ihm gar nicht zugetraut. Dann wollen wir mal.« Er legte einen Finger an die Lippen.
    Während er lauschte, entdeckte Liebermann erstaunt, dass die heilsame Ruhe, die er an der Havel oft suchte, ein Irrglaube war. Zunächst hörte er ihr stetes Strömen und das Plätschern gegen die Kaimauer zu seinen Füßen. Ein Motorboot sägte einige Meter von ihnen entfernt durch die Wellen, Möwen schrien, und vom mittleren Hausboot drangen dumpfe Töne herüber, die seinen Magen zum Vibrieren brachten. Daneben knarrte es ab und an bedenklich im Inneren des Kahns. Nach einer Weile nahm Frank den Finger wieder vom Mund.
    »Wölfe sind nachtaktiv. Das heißt, er schläft vermutlich. Was unter anderem gegen einen Wachhund sprechen würde.« Er sah Liebermann beunruhigt an. »Du glaubst mir doch?«
    »Dass du hier vorgestern Abend etwas gehört hast, warum nicht?«
    »Nicht irgendetwas. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich, dass es ein Wolf war. Ein eingesperrtes Vieh, das völlig ausgeflippt ist, als wir hier standen.«
    »Wir?«
    »Das Walmädchen und ich.«
    Da er sich nicht in weiteren Erklärungen erging, verzichtete Liebermann darauf, Frank nach diesem besonderen Mädchen zu fragen. Stattdessen erkundigte er sich nach der Art der Geräusche.
    »Na ja, es war schon im weitesten Sinne ein Jaulen dabei. Dann Heulen in den höchsten Tönen – typisch Wolf, nicht

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