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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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während er das rote Backsteinhaus betrat.
    Maja war bereits dreimal um den Block gelaufen. Hatte dreimal in den dunklen Rachen hinter der geöffneten Tür geblinzelt, zweimal Katzenlaute gehört, einmal menschliche. Jetzt im vierten Anlauf war sie verärgert genug, Serranos Werk zu vollenden. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, während seines Besuchs im Laden einen Blick auf die Jungen zu werfen, um herauszufinden, ob sie Waisen waren oder nicht. Aber woher denn! Stattdessen kam er ihr mit Tüten.
    Vor sich hin murrend bog Maja um die Ecke zur Ladenstraße, wich einem Hundehaufen aus, der so ungesund roch, dass selbstdie Fliegen ihn mieden, unterdrückte einen Anflug von Furcht und tauchte durch die Tür.
    Erfreulicherweise hatte der Händler auf den Einsatz künstlicher Sonnen verzichtet, wie sie sonst in Läden üblich waren. Doch selbst wenn es welche gegeben hätte, bezweifelte Maja, dass er ihren Besuch bemerkt hätte. Er hockte mit gesenktem Schädel vor einem umgestülpten Zweirad.
    Dem dämmrigen Verkaufsraum schloss sich ein noch dunklerer Flur an. Maja stellte ihre Augen schärfer. Überall Zweiradteile. Dazwischen zwei Türen. Beide geschlossen. Den Kopf dicht an den lackierten Rahmen, ging Maja sie ab. Die erste entlarvte sich dank des Geruchs als Toilettentür. Die zweite schwieg, bis Maja mit einem gezielten Sprung die Klinke traf. Sofort setzte Wimmern ein, und Majas Mutterherz verkrampfte sich.
    Als sie sich einigermaßen gefasst hatte, betrat sie vorsichtig den Raum. Es waren fünf. Unter einem mit menschlichen Essensresten beladenen Tisch stand ein leerer Napf, der auf eine erwachsene Katze hindeutete.
    »Wo ist eure Mutter?«, fragte sie ein kleines Weißes, das Einzige, das sich dem allgemeinen Gejammer nicht angeschlossen hatte. Das Junge drängte an ihre Beine. »Milch?«
    »Ich hab keine«, sagte Maja beschämt. »Im Moment nicht. Weißt du, wo deine Mutter ist?«
    Derweil hatten auch die anderen ihre Scheu überwunden und kamen eins nach dem anderen herangekrabbelt. Drei Wochen etwa, dachte Maja, als das Weiße greinend zur Seite stolperte. An seine Stelle trat ein größeres Schwarzes. Es sah sie aus schmalen Augen an und schrie. Nicht fragend, sondern fordernd. Majas Puls setzte zum zweiten Mal aus.
    »Und zu wem gehörst du?«, murmelte sie. Aber die Antwort erübrigte sich, als ihr Blick auf seinen Schwanz fiel. Stumpf und buschig wie der des Schwarzen hinter ihm. Mit klopfendem Herzen reckte sie die Nase, um ihre Enkel zu begrüßen. Wohlhörte sie das leise Fauchen, die Krallen jedoch bemerkte sie erst, als sie sich in ihre Nase gruben.
    Franziska Genrich schob die Unterlippe vor, um sich besser konzentrieren zu können. Die Rücküberführung von Organen kam dem Packen eines Koffers gleich. Nichts hasste sie mehr als einen unordentlich gepackten Koffer, in den Socken, Pullover und Waschutensilien einfach hineingeworfen und anschließend so lange verschoben wurden, bis der Deckel draufpasste. Sie kannte Kollegen, die ihre Toten derart nachlässig gepackt auf die letzte Reise schickten, und sie hoffte von Herzen, dass sie jenen dereinst im Jenseits wieder begegneten, damit sie ihnen erklären konnten, warum das himmlische Ambrosia ihnen durch die Nieren statt durch den Magen strich.
    Auf Franziskas Stirn standen Schweißperlen, die dem Darm des schönen Blauen geschuldet waren. Erbärmliche Dinger, diese Därme, einmal entrollt, war es beinahe unmöglich, sie wieder exakt aufzuwickeln. Nach einem flüchtigen Blick zur Uhr beschloss sie zu improvisieren. Hauptsache, Platz und Richtung stimmten, dachte sie, als sie die letzte Schlinge zum Anus führte. Dann griff sie zu Nadel und Faden. Sie vernähte eben den rechten Zweig des Ypsilons, als hinter ihr die Tür aufging.
    »Raus!«, murmelte Franziska und stach die Nadel ein. »Ziehen Sie sich im Aufenthaltsraum einen Kaffee.«
    Liebermann verschwand. Franziska veratmete ein minimales Zittern ihrer Hand und brachte die Naht zügig zu Ende. Nachdem sie den Faden vernäht und abgeschnitten hatte, trat sie einen Schritt zurück und begutachtete ihr Werk. Sauber. Dachte man sich das riesige Ypsilon weg, wirkte der Blaue, als hätte sie ihn nie angerührt. Und doch hatte sie alles aus ihm herausgeholt, was er ihr in seinem Starrsinn verschwiegen hatte. Jedenfalls fast.
    Ein paar Minuten verstrichen, in denen sie ihn gedankenverloren betrachtete, dann zog sie den Kittel aus und ging in dieTeeküche, um Liebermann die Leviten zu lesen. Marschierte

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