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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Müller mit seinen zu Fett verwandelten Muskeln, dahinter den Jungen. Ihn mochte Franziska ganz gern. Seine schlaksigen Bewegungen und das offene Lächeln rührten eine verborgene Saite in ihr. Während sie die Zigarette ausdrückte, suchte Franziska instinktiv nach dem Neuen. Er war nicht dabei. Aber die Freude darüber währte nur kurz, denn gleich darauf sah Franziska sie .
    Nur mit Mühe unterdrückte sie den Impuls, den Obduktionsraum zu verriegeln und den Schlüssel runterzuschlucken. Franziska verabscheute schöne Frauen. Und besonders schöne Frauen, die mit schönen blauen Männern verheiratet waren. Sie schleuderte einen eisigen Blick auf Frau Kaiser, dann fragte sie: »Haben Sie die Brille dabei?«
    Statt einer Antwort schlug Müller sich auf die Brusttasche.
    Gorilla, dachte Franziska, als sie die Tür zum Obduktionssaal öffnete und der Oberkommissar hindurchmarschierte. Der Junge wartete auf die Frau. Offenbar war man so klug gewesen, ihm den psychologischen Part zu überlassen.
    Auf der Schwelle des gefliesten Raumes zögerte die Frau plötzlich. Das taten die meisten. Erst wollten sie Gewissheit, und dann fürchteten sie sich davor. Als ob die Gewissheit etwas änderte. Franziska begann still zu zählen, wie sie es sich für solche Gelegenheiten angewöhnt hatte. Als sie bei acht war, überwand sich die Frau und trat an den Tisch.
    Mit einem Rundblick versicherte sich Franziska, dass alle am richtigen Platz standen; Müller rechts von ihr, Simon neben der Frau, zog das Tuch zurück, nahm Müller die Brille ab und drückte sie dem Toten auf die Nase. Dann trat sie beiseite. Beinahe hätte sie »Voilà!« gesagt.
    Es passierte nichts. Nach einer Weile flüsterte Simon der Frau zu: »Würden Sie bitte die Augen öffnen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Bitte!«
    Franziska beobachtete die Szene fasziniert. Dergleichen hatte sie erst einmal erlebt. Bei einer Greisin, deren Mann unter eine Straßenbahn geraten war. Normalerweise jedoch verwandelten die Angehörigen sich nach Betreten des »OP« in Automaten, die mit aufgerissenen Augen dem Unvermeidlichen begegneten. Sie hatte auch Neugier schon erlebt, sogar Gleichgültigkeit. Die geschwungenen Wimpern der Frau bebten leicht und glitten langsam auseinander. Franziska sah Simon in Habachtstellung gehen. Es stellte sich heraus, dass seine Besorgnis überflüssig war, denn nach einem kurzen Blick auf den Leichnam seufzte die Frau und schüttelte den Kopf.
    Müller und Simon sahen sich an, während Franziska nachdenklich das blaue Gesicht betrachtete.
    »Sind Sie sicher?«, fragte Müller.
    Die Frau blinzelte. »Er ähnelt Knut, aber er ist es nicht.«
    »Auch nicht, wenn Sie ihn sich mit normaler Hautfarbe vorstellen?«
    »Nein.«
    »Na umso besser«, meinte Simon gutmütig.
    Die Frau lächelte und wandte sich zum Gehen. »Moment!«, sagte Franziska.
    Widerwillig drehte Frau Kaiser den Kopf.
    »Ich möchte etwas probieren, wenn Sie gestatten.«
    »Wozu?«
    »Sehen Sie zur Tür!«, befahl Franziska. »Denken Sie an irgendetwas Neutrales, einen Baum meinetwegen oder Ihren Nagellack. Drehen Sie sich erst um, wenn ich Sie dazu auffordere.«
    »Wozu?«, wiederholte die Frau, diesmal beunruhigt.
    »Denken Sie an den Baum!«
    Müller schob sein massiges Kinn vor. »Frau Kaisers Frage scheint mir berechtigt.«
    »Ruhe!«
    Schweigend zählte Franziska bis zehn und langte dabei ins Gesicht des Toten. »Jetzt!«
    Diesmal war es umgekehrt. Eine fließende Bewegung, der offene, fragende Blick und dann die Versteinerung. Die Frau starrte, dann begann sie zu wanken. Simon sprang ihr zu Hilfe.
    An Franziskas Finger schaukelte die Brille zu Müller hinüber.
    »Werfen Sie die weg!«, sagte sie kühl. »Oder packen Sie sie ins Polizeimuseum, falls Sie eins haben, Abteilung: Kriminaltechnischer Quark. Das hier ist eine Lesebrille. Wenn mein Patient die aufgesetzt hätte, wäre er blind wie ein Maulwurf gewesen. Denn falls Sie jemals auf die Idee kommen sollten, seine Frau danach zu fragen, wird sie Ihnen sagen, dass er kurzsichtig war. Wie stark, entnehmen Sie demnächst meinem Bericht, aber mindestens minus vier Dioptrien. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.«
    Sie wartete, bis die drei verschwunden waren. Dann zog sie sich ein Paar neue Handschuhe an und blickte tadelnd auf den Blauen hinunter. »Irren ist menschlich, Knut. Aber falls dies keine Zwangsheirat war, möchte ich deinen Geschmack nicht geschenkt haben!«

7
    Frank schloss pfeifend ein neues Fass an den

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