Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
Vom Netzwerk:
wahr – und dazwischen so was Keckerndes.«
    »Bitte?«
    Frank ging kurz in sich. »Wack, Wack, Wack. Oder: Weck, Weck, Weck. So ähnlich.«
    »Das klingt mehr nach einem Huhn als einem Wolf.«
    »Ein Huhn heult aber nicht. Und außerdem hat es eine andere Stimme.«
    Liebermann blickte skeptisch auf das Schiff.
    »Und dann hat es einmal ziemlich laut gepoltert«, sagte Frank.
    »Dein Wolf hat etwas umgerissen«, riet Liebermann.
    »Weil er fuchsteufelswild war.«
    »Er war eingesperrt.«
    »Eben!«, trumpfte Frank auf.
    Liebermann wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte Miri versprochen, sie heute früher abzuholen. Mit etwas Glück erwischte er vorher noch die hacklustige Dr. Genrich. Was für ein Tier auch immer Frank auf dem morschen Kahn gehört hatte, es hatte nichts mit dem Toten zu tun.
    »Na schön. Ein wütender, weil eingesperrter Hund ist möglicherweise ein Fall für den Tierschutzverein.«
    »Du verstehst überhaupt nichts!«, rief Frank erhitzt. »Mir ist jetzt klar, warum er so getobt hat.«
    »Aha. Warum?«
    »Na, weil Vollmond war natürlich!«
    Liebermann wartete, bis Frank davongeschlurft war. Ein Prophet, dem niemand glaubte, nicht einmal der andere Prophet. Es tat ihm umso mehr leid, als er Franks Verzweiflung nur allzu gut kannte. Aber ein Wolf! Wahrscheinlich hatten Frank und sein Fischmädchen sich vorgestern einen zu viel hinter die Binde gegossen.
    Nur zum Spaß stellte Liebermann sich vor, wie Oberkommissar Müller auf eine mögliche Verbindung zwischen einem Wolf und dem ertrunkenen Internisten reagieren würde. Dabei fiel ihm ein, dass noch immer die Bestätigung ausstand, ob es sich bei dem Toten überhaupt um den Internisten handelte.
    Er griff nach dem Telefon. Behutsam, als könne es jeden Momentin seiner Hand explodieren, gab er die Nummer der Pathologin ein.
    Halb hatte Franziska Genrich mit dem Anruf gerechnet.
    Nicht aber mit dem Anrufer. Sie nahm in dem Glauben ab, dass Hauptkommissar Otto seine Akten noch auf den neuesten Stand bringen wollte, ehe er sich verabschiedete. Im Grunde seines Herzens war Otto Soldat, korrekt bis ins Mark. Aus diesem Grund schätzte Franziska ihn, auch wenn sie sich in seiner Anwesenheit nach wenigen Minuten immer ein wenig zu langweilen begann.
    Aber die Nummer auf dem Display war weder die der Mordkommission noch Ottos Mobilnummer. Als sie Liebermanns Stimme hörte, zuckte sie zusammen.
    Zornig fauchte sie, er solle gefälligst ihren Anruf abwarten, und legte auf. Sie brauchte eine Zigarette.
    Während sie mit zittrigen Fingern ein Streichholz anzündete, fragte sie sich zum hundertsten Mal, woran es lag. Der Neue hatte keine unangenehme Stimme, im Gegenteil. Eher sanft, etwas verhaucht und nicht zu tief. Tiefe Stimmen erinnerten sie immer an die haarigen Filmhelden der Siebziger, in deren Händen selbst ein Blumenstrauß wie ein Faustkeil aussah. Müller war so einer. Liebermanns Stimme dagegen barg etwas Nacktes, Empfindliches. Ebenso sein Blick. Bevor er im Mai unangekündigt mit einer toten Katze bei ihr aufgetaucht war, hatte sie noch nie in Augen gesehen, die ausschließlich absorbierten. Und zwar so stark, dass man gut dran tat, sich in der Nähe eines Geländers aufzuhalten. Sie würde doch nicht etwa, fragte Franziska sich plötzlich bestürzt, um ihre Standfestigkeit fürchten?
    Geistesabwesend nahm sie ein paar Züge, dann warf sie die Kippe in den Aschenbecher und ging in den »OP« zurück, wo in diversen Schüsseln die Organe des Blauen lagen. Vor der mitdem Magen blieb sie stehen. Daneben ruhte in einer Petrischale ein schmaler Ring. Franziska hob ihn mit der Pinzette auf und hielt sie dem Blauen ins Gesicht.
    »Ist es dir endlich eingefallen?«, knurrte sie. Der Blaue schwieg.
    Seufzend legte Franziska den Ring zurück. Es war bitter, sich einzugestehen, dass man mit seiner Kunst am Ende war. Sie zählte langsam bis zehn. Dann fasste sie einen Entschluss.
    Liebermann kam gerade beim Hort an, als sich das Handy in seiner Tasche meldete.
    »Ich bin voraussichtlich bis zwanzig Uhr im Institut«, sagte Dr. Genrich.
    Als Liebermann antworten wollte, klickte es.
    Verblüfft starrte er auf den kleinen Apparat in seiner Hand. Was war das? Eine Entschuldigung für die Abfuhr von eben? Eine Information? Eine Einladung unter Vermeidung freundlicher Gesten?
    Er schwankte einige Minuten zwischen Stolz und Neugier. Zwischendurch sah er zur Uhr. Halb fünf. Dreieinhalb Stunden. Die genügen würden, um beides zu befriedigen, dachte er,

Weitere Kostenlose Bücher