Katzenmond
würden uns gern mit einer Ihrer Schülerinnen unterhalten«, sagte Müller. »Einer Zeugin.«
Elsa Laurent knöpfte bedächtig ihren Arbeitskittel auf. »Zeugin wofür?«
»Für den Mord an dem Arzt, den man vor einigen Tagen tot in der Havel gefunden hat.«
Sie hielt im Knöpfen inne. »Ist er nicht ertrunken, wie es in der Zeitung stand?«
»Nein.«
Sie blickte erst ihn, dann Liebermann an. »Verstehe. Für welche meiner Schülerinnen interessieren Sie sich denn?«
»Für Constanze van Hoefen«, antwortete Liebermann.
Ihre Augen wurden eine Nuance dunkler. »Das muss ein Missverständnis sein.« Sie zog den Kittel aus, warf ihn über ihre Sessellehne und begann, sich mechanisch die Arme zu reiben. Endlich gab sie sich einen Ruck und ging zu einem Schreibtisch, auf dem sie eine Weile herumstöberte, ehe sie eine laminierte Karte fand. »Na gut«, sagte sie nach einem Blick darauf. »Klären wir es auf.«
Sie folgten einem Flur, der rechts vom Büro abging.
»Hier in der ersten Etage sind fast ausschließlich Seminarräume«, erklärte Elsa Laurent den beiden Polizisten, deren Augen sich gierig an die Türschilder saugten. »In der zweiten und im Dachgeschoss befindet sich das Internat, unten im Erdgeschoss liegen der Speiseraum, die Küche und das Wohnzimmer, wobei es auch hier oben einen kleinen Salon gibt.«
»Und im Keller?«, fragte Müller.
Elsa Laurent musterte ihn kurz. »Umkleideräume und Champignonzucht.«
Sie bedeutete ihnen zu warten und verschwand hinter einer Tür.
»Champignons!«, schnaufte Müller. »Seminarräume!« Er zeigte auf die Nachbartür, auf der über einer Liste mit Zeiten und Namen Studio 1 stand. An der Klinke hing ein Schild mit der Aufschrift: Besetzt.
Elsa Laurent kehrte zurück. In ihrem Gefolge befand sich eine blonde junge Frau, deren auffällige Blässe entweder auf ein kürzlich durchlittenes Unglück oder Schlafstörungen hindeutete. Sie kam Liebermann irgendwie bekannt vor, auch wenn er nicht wusste, woher.
»Das sind die beiden Herren«, sagte Elsa zu ihr. »Am besten, ihr nehmt den Salon, der müsste frei sein. Ach, und könntest du in der Mittagspause auf einen Sprung zu mir kommen?«
Sie sagte den letzten Satz leichthin, aber Liebermann entging das Aufglimmen ihrer Augen ebenso wenig wie Constanze van Hoefen, die den Blick zu Boden senkte, ehe sie den beiden Polizisten mit einer anmutigen Handbewegung den Weg wies.
Nichts ließ erkennen, dass die vier Katzen Serrano erwartet hatten. Keine Begrüßung, nur eine Kopfbewegung der Dürren zu ihren Freundinnen. »Lasst uns einen Moment allein.«
Dahlia sah sie überrascht und eine Spur beleidigt an. Serrano wartete gespannt, aber mehr Widerstand kam nicht. In der Ferne bellte Esteban in das Holz seines Schuppens.
»Es ist nur zu ihrem Besten«, meinte die Dürre gleichmütig, als die Perserinnen durch die Fenster des Gartenhäuschens verschwunden waren. »Ihre Nerven halten nicht viel aus. Entweder ein Ergebnis der Überzüchtung oder traumatischer Erlebnisse in ihrer Jugend. Das lässt sich nicht mehr feststellen, aber man kann Rücksicht darauf nehmen.«
»Überzüchtung?«, fragte Serrano, dem das Wort noch nie untergekommen war.
»Na, sie sind Perserinnen, nicht?«, erklärte die Dürre.
»Und du?«
Ihre Lefzen zuckten kaum sichtbar. »Siam. Beantwortet das auch die andere Frage?«
»Ich kann mich an keine zweite Frage erinnern.«
»Aber sicher.« Die Dürre entfernte ein zerbrochenes Schneckenhaus von einem Kissen, ehe sie sich darauf niederließ.
»Sie lautet: Warum ist dieses Ding so dürr?«
Serrano nickte. »Beeindruckend.«
Sie winkte ab. »Nicht besonders. Du solltest deinen Blick sehen, dann würdest du merken, dass du starrst. So wie letztes Mal, so wie alle. Und da dieses Starren mir unangenehm ist und ich will, dass du dich auf andere Dinge konzentrierst, sage ich dir, dass ich Siamesin bin. Mein Name ist Wu. Das wiederum sage ich dir, damit du aufhörst, mich im Stillen ›die Dürre‹ zu nennen.«
Nicht schlecht. Sogar ziemlich gut. Nur dass Serrano jetzt erst recht Mühe hatte, seine Augen von der Dürren abzuwenden. Von Wu, verbesserte er sich, besorgt, dass sie seine Gedanken mitlas. Vielleicht gehörte diese Gabe zu den Eigenschaften einer Siamesin, wie sollte er das wissen, darüber hatte sie nichts gesagt. Im Übrigen waren ihre Wimpern über den blauen Augen hübsch. Lang und gebogen.
Er drehte eine Runde durch den Pavillon, auf der Suche nach einem weiteren Kissen. Fand
Weitere Kostenlose Bücher