Katzensprung
Kamann berichtete von der Vernehmung weiterer Anlieger, die
im Tatzeitraum Jugendliche auf dem Elba-Gelände gesehen haben wollten, die aber
alle Kapuzenpullis und große Mützen trugen. Die Zeugen konnten nicht sagen, ob
es Männlein oder Weiblein waren, und noch weniger eine genaue Beschreibung
abgeben.
»Ein David Bowie in blutjung und ein begnadeter Tänzer«, sagte Olga,
»das ist wenigstens eine Eingrenzung. Also eher kein Südländer.«
»Bei David Bowie könnte man an einen Slawen denken«, sagte Bauer. Er
teilte ein weiteres Team für das Jugendzentrum ein. Fischbein erklärte sich
bereit, die Staatsanwältin Thekla Braun, die wegen Presseanfragen vernehmlich
mit den Hufen scharrte, abermals zu vertrösten.
Olga und Lepple wollten an der Schule und vor allem an der Familie
Sassi dranbleiben. »Da ist was mit der Kleinen«, sagte Olga. »Sie weiß mehr,
als sie sagt.«
Reigen
In der Hauptschule Wichlinghausen ließen Olga und Josef
Lepple sich zwei leer stehende Räume zuweisen und bestellten die Lehrer
nacheinander ein.
Den Rektor vernahmen sie gemeinsam als Ersten. Olga hielt ihm seine
Betroffenheit bei der Beerdigung Ramona Wenklers vor und bohrte nach, ob es
auch eine wie auch immer geartete private Beziehung zu der Lehrerin gegeben
habe.
Brinkmann verneinte entschieden, es sei allein kollegiales Mitgefühl
gewesen. Er betonte, dass er die Lehrer angewiesen habe, mit den Schülern im
Unterricht über das Geschehene zu sprechen und insbesondere die üblen Gerüchte
über Frau Wenklers Lebenswandel zu thematisieren. Sie sei ein kranker Mensch
gewesen, der um Hilfe gerufen habe, und sie sei nun tot, sie habe einen
Anspruch darauf, dass ihrer mit Respekt und ohne Häme gedacht werde.
Olga pflichtete ihm bei, beharrte allerdings darauf, dass Frau
Wenklers Vorleben ermittelt werden müsse, solange die Umstände ihres Todes
nicht geklärt waren.
Dann ließ sie Amanda Springer kommen, und Lepple begann mit der
Befragung des übrigen Kollegiums.
Gleich Olgas Einleitung, sie wundere sich über Brinkmanns starke
Reaktion auf den Tod der Frau Wenkler, öffnete bei Amanda alle Schleusen. Er
habe sich Hoffnungen gemacht, sagte sie, von Anfang an sei er auf die Masche
dieser Frau hereingefallen. Er habe ernsthaft gedacht, sie sei in ihn verliebt,
und sei zeitweise wie von Sinnen gewesen. Die Wenkler habe mit ihm machen
können, was sie wollte, und sie habe es ausgenutzt, um Vorteile
herauszuschlagen, vor allem bei der Stundenplangestaltung.
»Sie brauchte niemals vor der dritten Stunde in der Schule zu sein
und musste so gut wie nie Aufsicht machen«, empörte sich Amanda Springer. »Im
Vergleich zu den anderen hatte sie einen wunderbaren Lenz. Sie machte alle
Männer an, die bei uns herumliefen, sie hat es bei jedem, selbst bei dem
schwulen Hausmeister, versucht. Uns Frauen gegenüber ist sie entweder arrogant
aufgetreten oder hat sich als naives Dummchen verkauft. Wir haben natürlich
schnell gemerkt, welche Masche sie abzog.«
Olga fragte nach Amanda Springers Erinnerungen an die Zeit vor zwei
Jahren, als Ramona Emilio Sassi kennengelernt hatte.
Sie habe nach den Sommerferien gut ausgesehen und sei sehr
euphorisch gewesen, sie habe einen beneidenswert glücklichen Eindruck gemacht
und ständig von ihrem Freund Emilio gesprochen, mit dem es super laufe. Es habe
sich angehört, als sei es eine feste und dicke Sache.
»Dann häuften sich die Gerüchte, dass es sich um diesen Sassi aus
der Kneipe am Wichlinghauser Markt handelte und dass er verheiratet war und
nicht daran dachte, sich von seiner Frau zu trennen. Zu diesem Zeitpunkt
setzten die Anrufe auf ihrem Handy ein, die meiner Meinung nach fingiert
waren«, sagte Amanda. »Es ging ihr dann in abruptem Wechsel besser und
schlechter, manchmal war sie supergut drauf, aber sie kam auch immer häufiger
gar nicht zur Schule – oder mit einer Fahne. Unter dem Strich ist es kontinuierlich
abwärts mit ihr gegangen.«
»Worüber redete sie sonst noch?«
»Es ging eigentlich immer nur um Männer, wie begehrt sie war und wie
blöde andere Frauen. Sie zog oft und gerne über die Frau dieses Kneipentypen
her, die sei an allem schuld, sie erpresse den armen Emilio, drohe mit
Selbstmord, mache einen auf klein und hilflos. Dabei sei die Beziehung im
Arsch, das hatte er ihr offenbar mehrmals geschworen. Er habe nichts mehr mit
ihr, jahrelang nicht mit ihr geschlafen und so weiter, man kennt die Leier.
Ramona gab der Frau alle Schuld und wollte nicht sehen, dass
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