Kauft Leute
Haus von Giftstoffen, sie kauft dort ein, wo die Qualität stimmt, sie kümmert sich darum, dass der Rasen gemäht, die Vorhänge gereinigt und das Toilettenpapier vorgefaltet wird. Kurz: Sie macht all das, was meinem Mitbewohner leider nie einfällt. Meine Damen, meine Herren, wenn Sie das nötige Kleingeld haben, überlegen Sie nicht, sondern nehmen Sie alle drei. Und dann laden Sie mich mal zu Ihnen zum Essen ein. Sollten Sie einem der Mädchen an dem Abend freigeben wollen, berücksichtigen Sie bitte – ich stehe auf dunkel. Ernsthaft!«
Caro hatte Lars zugehört und befand, er war ein Schwein. Es gab wenig, das sie so hasste wie vorbereitete humoristische Reden, und auch wenn ihm so ein Stuss spontan einfiele, wäre er immer noch ein Bauernfänger, der versuchte, mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner dümmlichen Witzes die Gunst der Leute zu erobern.
Eine Zeit lang, als Caro elf Jahre alt gewesen war, hatte sie jeden Morgen zwischen 7 und 8 Uhr die Sendung eines ganz bestimmten Radiomoderators gehört. Caro hatte damals geglaubt, dass dieser Mann möglicherweise etwas mit ihr zu tun hatte, ja, in einer geradezu
ursächlichen
Weise in Beziehung zu ihr stand. Sie hatte keine Beweise für ihre Vermutung, und ihre Mutter hielt sich bedeckt. Ging es nach ihr, hatte Caro eben einfach keinen Vater. Jeden Morgen lag Caro im Bett und wartete darauf, dass sich die Stimme aus dem Radio verriet. Dass sie ein Wort verwendete, das auch Caro besonders gerne benutzte. Sie hatte eine Liste von Lieblingswörtern erstellt, die sie in ihrem Tagebuch aufbewahrte. Darunter waren Worte wie »Charisma«, »Krösus«, »Affenschande«, »Sternenstaub«, oder »Lidschlag«. Hin und wieder verwendete dieser Radiomoderator einen jener Begriffe – Caro war dann völlig elektrisiert und die erste Unterrichtsstunde über unkonzentriert. Einmal verwendete er zwei dieser Begriffe in einem Satz (Caro konnte sich inzwischen nicht mehr erinnern, wie er gelautet hatte, vielleicht »Mit einem ihrer Lidschläge hat sie mehr Charisma als …«), und Caro hätte fast laut aufgeschrien! Mit den Wochen und Monaten verlor das Spiel jedoch an Faszination, vor allem, weil Caro auffiel, dass der andere Moderator, der vom Nachmittag, ihre Wörter nicht seltener verwendete als der Mann, der ihr vielleicht so viel näher stand. Sie hörte weiterhin die Morgensendung, dennoch schlich sich etwas ein, was ihr zuerst gar nicht gefiel: Sie entdeckte, dass sich dieser Mann wiederholte, dass er sich oft umständlich ausdrückte, immer wieder versprach und unlustige Dinge so erzählte, als wären sie witzig. Vor allem aber wusste sie schon lange, bevor er eine freche oder lustige Bemerkung machte, wann sie kommen würde. Er war eigentlich überhaupt nicht lustig. Caro wollte überrascht werden. Dass etwas Unerwartetes passierte oder jemand etwas sagte, das alles auf den Kopf stellte. Dann gab es einen Blitz hinter ihren Augen und sie musste lachen. Bei dem Mann im Radio sah sie das Unwetter schon lange kommen, und der Blitz entlud sich irgendwo vor ihr am Horizont. Daraus schloss Caro eines Tages, dass der Morgenmann nicht sein konnte, wofür sie ihn gehalten hatte. Caro hatte nämlich Humor, das hatten ihr schon viele gesagt, er aber besaß keinen. Und das trennte sie viel mehr, als ein paar gemeinsame Lieblingswörter sie verbinden konnten. (Als Caro ihrem Freund Roman diese Geschichte erzählt hatte – da war sie schon in der Werbeagentur angestellt –, hatte er sie auf die Stirn geküsst und gesagt: »
Ich
mag deinen Humor!« Es war eine für ihn sehr typische Bemerkung. Sie klang eigentlich nach Unterstützung, offenbarte aber auf den zweiten Blick eine Gemeinheit, in diesem Fall, dass
andere
ihren Humor nicht besonders schätzten. Außerdem verriet sie, wie wenig er ihr zuhörte, denn natürlich war es gar nicht darum gegangen, dass ihr irgendjemand den Humor absprach.) Seit damals besaß Caro besonders empfindsame Antennen, wenn jemand Humor verwendete, um sich mit ihr zu solidarisieren.
Lars hatte bemerkt, dass Caro ihm ganz genau zugehört hatte und es war auf jeden Fall gut möglich, dass er ihrem Gesicht auch ihr Unbehagen ablesen konnte. Er wandte sich ihr dennoch zu und sagte: »Willst du dich unserer Gruppe vielleicht anschließen? Dann erfährst du auch, warum mein Mitbewohner nicht ans Zähneputzen glaubt … Und andere Dinge natürlich.«
Caro fand es frech, dass er
du
zu ihr sagte – auch wenn ihr das unter Gleichaltrigen sonst eigentlich
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