Kauft Leute
lieber war. Sie wusste aber, dass sie bald Kollegen sein würden, also schluckte sie das hinunter. »Ich glaube, ich bin nicht so der Gruppentyp. Ich würde aber gerne wissen, warum diese Haushaltsmanagerin hier ihre Dienste nicht in der
New York Times
anbietet, sondern in diesem Laden vorzeigt, wie man einen Kühlschrank leer macht?«
Lars lächelte. »Das liegt wohl daran, dass sie Kontinuität in ihrem Arbeitsleben sucht und nicht länger von einem
New-York-Times
-Leserhaushalt zum nächsten hüpfen möchte.«
Caro wollte sich in dieser Situation ganz bestimmt nicht als Kritikerin aufspielen, aber Lars forderte es heraus. »Dieser Preis hier auf dem Terminal – das ist doch weniger, als eine Fachkraft wie sie in einem Jahr verdienen würde. Wie kann sich das für sie rechnen, Kontinuität hin oder her …?«
Lars antwortete ihr ohne ein Zeichen von Ungeduld: »Viele unserer
Helden
haben Schicksalsschläge hinter sich oder sind in eine finanzielle Notsituation geraten. Der herkömmliche Arbeitsmarkt bot ihnen keine Möglichkeiten mehr. Wir helfen ihnen, sich einer Verantwortung zu entheben, an der sie zu schwer getragen haben.«
Unwillkürlich wiederholte Caro leise seine letzten Worte: »
Zu schwer getragen haben
… – das kenne ich von eurer Homepage, nicht wahr?«
Lars grinste: »Ja, die verwenden viele von meinen Sagern …«
»Also bist du immer ganz auf Unternehmenslinie?«
Lars warf einen Blick in Richtung seiner Gruppe, die ein wenig unschlüssig war, ob sie sich selbst umsehen oder auf Lars warten sollten. Dann wandte er sich wieder Caro zu und sein Blick verriet, dass das Gespräch gleich zu Ende zu sein hatte. »Ich bin nur der Typ, der den Leuten zeigt, wie’s funktioniert. Unternehmenssprecher in dem Sinn bin ich sicher nicht, ok?«
Caro wollte ihm schon den Rücken zudrehen, da sagte er noch leise zu ihr: »Tolle Haut hast du übrigens, du wärst in einer Stunde weggekauft!«
Und dann lächelte er sie aus seinem schmalen Veganer-Gesicht heraus an, als wäre er von der Anständigkeit und Untadeligkeit dieses Kompliments völlig überzeugt.
5
C ARO BEOBACHTETE DURCH DIE OBLIGATE Scheibe, wie in einem magischen Schlafzimmerchen, in dem gleichzeitig Tag und Nacht herrschten, ein Kind von einer Berufs-Oma in den Schlaf geschaukelt und ein Bett von zwei jungen Philippinas mit einer frischen Tagesdecke überzogen wurde. Das wahre Ereignis fand aber in ihrer Fantasie statt, nämlich die x-te Wiederholung der Vorstellung, wie sie Lars eine Ohrfeige langte, von der er sich nicht mehr erholen würde. Wie oft hatte Caro sich schon darüber den Kopf zerbrochen, wieso sie nicht zu den Frauen gehörte, die Ohrfeigen austeilten. Gelegenheiten hatte es viele gegeben, aber Caro war in den Momenten größter Empörung immer paralysiert gewesen. Wenn sie sich später wieder in die Situation hineinversetzte, wusste sie, warum sie nicht zugeschlagen hatte: In diesem ersten Augenblick der Kränkung, jenem Reflexmoment, wo andere ausholten, war Caro noch dabei zu überprüfen, ob ihr nicht eigentlich recht geschah, ob ihr Gegenüber nicht zufällig ins Schwarze getroffen hatte. Ein Mädchen mit einem intakten Selbstbewusstsein und natürlicher Würde hätte Lars sofort und ohne zu überlegen bestraft, Caro aber freute sich insgeheim noch über die Bemerkung über ihre Haut und wog ab, wie schlimm es denn war, eben mal seines netten Aussehens wegen verschachert zu werden. Jetzt glühte sie vor Zorn über sich selbst, denn sie hatte
nichts
getan. Ihm keine gelangt, nicht mal eine spitze Bemerkung zurückgeschossen. Sie hatte bloß den Kopf geschüttelt und sich abgewandt. Caro hoffte, Lars würde ihr noch mal begegnen. Die geringste Frechheit von ihm wäre dann genug, um sie mit einem blitzschnellen Vergeltungsschlag zu ahnden. So war sie früher schon: Wenn einer es verdiente, blieb sie stumm, aber danach teilte sie aus, wo es nur ging. Es war kein Wunder, dass man sie in den letzten beiden Schuljahren »K2« nannte. Schwer zu besteigen, extrem unberechenbar.
»Ich finde, sie sieht sehr nett aus, und sie hat die Erfahrung eines ganzen Lebens!«
Caro sah zu der Frau hinüber, die gerade mit ihrem Mann über die Berufs-Oma im Schaufenster sprach. Er antwortete etwas rau: »Ja, sie ist alt.« Die Frau wandte sich an ihren Sohn: »Patrick, wie findest du sie?« Der Junge war gelangweilt und stieg sich selbst abwechselnd auf die Füße. »Wir haben ja schon zwei Omas.«
Bernd nickte zufrieden, denn dies war auch
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