Kauft Leute
Umfang verloren. Er sah gut aus und erinnerte Caro an Julian Assange, den Gründer von Wikileaks, der erst vor Kurzem unter nicht ganz geklärten Umständen bei einem Flugzeugunglück umgekommen war. Und wenn sich Caro nicht völlig täuschte, hörte sie in seiner Sprache einen Hauch
München
hervor … Als auch der Inhalt seiner Worte ihr Bewusstsein erreicht hatte, fragte sie: »Wieso
zu
gut?«
Danesita winkte ab: »Zu gut gibt es natürlich nicht, es ist nur so, dass wir in anderen Städten mit größeren Protesten zu kämpfen hatten, und ich ein wenig erstaunt bin, wie ungetrübt die Stimmung hier heute ist.«
Caro dachte darüber nach und bezog seine Bemerkung sofort auf sich: Weil Leute wie Carolin Novara nicht protestieren, sondern eilfertig einen Job bei dieser Firma annehmen, bleibt hier alles ruhig und ein ungerechtes System setzt sich widerstandslos durch.
Danesita setzte sich neben Caro auf die Bank. »Wissen Sie, dass Sie mich bei unserer letzten Begegnung beeindruckt haben? In meiner Position bekommt man nicht oft die Wahrheit gesagt. 1990 hat mir mal jemand die Wahrheit gesagt, von dem spricht heute keiner mehr.«
Caro sah ihn fassungslos an. »Das ist aus einem Film, schauen Sie nicht so!«
Vielleicht hätte sich Caro jetzt bemüßigt fühlen müssen zu lachen, aber sie starrte diesen seltsamen Mann nur an und konnte sich kaum zurückhalten, einfach aufzustehen und wegzulaufen. Stattdessen sagte sie: »Ich nehme an, es ist schwer, jemanden zu kaufen, der einem die Wahrheit sagt.« Erst als sie es ausgesprochen hatte, merkte sie, wie unverfroren ihre Replik war, und sie wurde augenblicklich rot und schlug in einem Anflug von Panik die Beine zusammen. Sie wollte etwas Abschwächendes nachschicken, aber Danesita schien ihr antworten zu wollen.
»Sie haben vollkommen recht. Auch wenn es keine Grenzen gibt für das, was wir uns kaufen können, stoßen wir auf viele Grenzen, wenn es darum geht, was wir uns davon versprechen. Wenn
es uns
so sehr wollte, wie
wir es
, hätten wir ja nicht dafür zahlen müssen, oder?«
Caro überlegte, was er ihr damit sagen wollte. Sie ahnte aber, dass er nur ihre Sympathie zu gewinnen versuchte, indem er sie an seinen vorgeblich privaten Gedanken teilnehmen ließ. Vielleicht schätzte er sie wirklich? Sie war ehrlich gewesen, konnte gar nicht anders. Nun war es aber zu spät, noch zu antworten, also sah sie bloß weise in Richtung der ankommenden Besucher und zog an ihrer Zigarette. Danesita suchte wieder Blickkontakt mit ihr.
»Sie waren oben und Sie fanden es schrecklich, habe ich recht?«
Caro wurde unruhig, als er sie das fragte. Sie brauchte den Job so dringend, dass sie überhaupt noch nicht mit sich einig geworden war, ob sie ihn wirklich ablehnen wollte. Ihre Gefühle hatten sich in letzter Zeit als ziemlich unberechenbar herausgestellt und ihr mehr geschadet als geholfen. Sie überlegte fieberhaft, was sie Danesita antworten sollte, sie konnte nicht wieder nur beseelt in die Landschaft blicken und hoffen, damit gäbe er sich zufrieden. Hauptsache, du sagst nichts von Hündchen im Tierheim, und wie leid sie dir getan haben! Gib einfach zu, dass du es schrecklich fandst, er schätzt deine Ehrlichkeit ja!
»Wissen Sie, ich gehe dort durch die Gänge und kann an nichts anderes denken als an die Hündchen im Tierheim, und dass manche nicht abgeholt werden, und wie furchtbar das ist.« Caros Augen wurden feucht.
Danesita beugte sich vor. Als er zu sprechen begann, schwangen Sympathie und Zustimmung in seiner Stimme mit: »Ich verstehe Sie, Carolin. Es hat immer etwas Trauriges, wenn Wesen in irgendeiner Form bewertet werden, und manche schlechter abschneiden als andere. Ob das jetzt Menschen oder Hündchen sind, beides schlimm. Aber Sie können verhindern, dass das passiert. Ihre Aufgabe wird es sein, unseren Helden ihre Steckbriefe zu schreiben und ihre Profile zu festigen. Sie können herausarbeiten, welche Qualitäten sie besitzen, und wie man diese unseren Kunden vermitteln kann! Derzeit machen wir noch zu viele leere Versprechungen, die zu Enttäuschungen führen. Und auf der anderen Seite lassen wir zu viele interessante Eigenschaften unserer Helden unerwähnt. Carolin, Sie können hier etwas verändern!«
Caro fragte sich, was mit Danesita nicht stimmte, dass er auf einmal von »Helden« sprach, aber ansonsten hatte er schon in die richtige Kerbe geschlagen. Wenn sie den Laden wirklich ein bisschen umkrempeln könnte, vielleicht würde sie sich dann
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