Kauft Leute
mochte um die 50 Jahre alt sein, hatte kleine abstehende Ohren unter den hochgebundenen dichten, dunkelbraunen Haaren und ihre Wangen leuchteten rot, obwohl noch kein Topf am Feuer stand, der sie zum Glühen gebracht haben konnte. Die andere war eine fürsorglich lächelnde, madonnenhaft schöne Nanny, die einem Baby die Flasche gab, das allerdings durch ein Tuch so verdeckt war, dass man nicht sehen konnte, ob sie einen Teddybär, einen Laib Brot oder gar ein echtes Kind fütterte und wiegte. Caro studierte die Informationssäulen vor dem Schaufenster. Die Köchin hieß Edita, kam aus der Slowakei und hatte jahrelang in einem beliebten Touristenlokal Bratislavas gekocht. Sie hatte zwei erwachsene Söhne, die keinerlei Zuwendungen mehr benötigten, und besaß als Tochter eines Spediteurs sogar den Lastwagenführerschein. Der Name der Nanny war Franziska. Sie stammte aus Thüringen, war gerade erst 30 geworden und hatte bereits in Kanada und den Vereinigten Staaten als Kindermädchen gearbeitet. Sie war Episodenstar einer Serie gewesen, die Deutsche im Ausland porträtierte, und dieser kleine Ruhm und der sternförmige Button mit dem Schriftzug »Bekannt aus dem Fernsehen« auf der Scheibe führten dazu, dass ihr Preis inzwischen mehr als doppelt so hoch war wie jener der Köchin.
Das nächste Zimmer, das Caros Aufmerksamkeit fesselte, hätte gegensätzlicher zu der Landhausküche nicht sein können: ein großer moderner und heller Luxus-Wohnraum mit weißer Ledercouch, riesigem Flatscreen im Hintergrund und einer Edelstahl-Designküche im vorderen Bereich. Moderne Kunst an den Wänden, passive Beleuchtung und ein unnachahmlich reduziert gestalteter Kamin entsprachen dem State of the Art einer ganz anderen Klientel. Auch hier war die Einrichtung selbstverständlich Nebensache, und auch die abwesenden Besitzer dieses Wohntraums interessierten in diesem Fall nicht. Vielmehr folgten die Blicke der Besucher jenen drei Frauen, die hier reinigten und den Haushalt führten. Ein junges schwarzhaariges Mädchen in einer jedem erotischen Klischee entsprechenden Zimmermädchenuniform staubte gerade ein Bild ab, ihr blondes Pendant beschäftigte sich innig mit einer Bronzefigur und eine Frau von völlig anderer Erscheinung warf Dinge aus dem Kühlschrank in den Mist. Sie war um die Mitte vierzig, trug einen schwarzen Hosenanzug, die glatten langen Haare mit einer perlenbesetzten Spange zusammengebunden und goldene Hauspantoffeln. Mit prüfendem Blick und immer wieder aufblitzender professioneller Abscheu entfernte sie Produkte aus dem riesigen Kühlschrank, die dort nichts mehr verloren hatten.
Gerade als sich Caro fragte, ob in den Pausen, wenn die Frauen in den Fenstern wechselten, die Produkte aus dem Mistkübel wohl zurück in den Kühlschrank gestellt wurden, näherte sich eine große Gruppe Besucher, die von einem langen, tätowierten Burschen mit Ohrsteckern und auswachsenden schwarz gefärbten Haaren geführt wurde. Die Meute blieb vor dem Fenster der Designerwohnung stehen, und Lars begann zu schwadronieren:
»Also Leute, glaubt es oder nicht, aber genauso sieht es bei mir daheim aus! Denkt euch nur ein Bettgestell aus Bierkisten und meinen Mitbewohner Jan dazu, der gerade
jetzt
aus einem Club nachhause kommt, und ihr seid echt verdammt nah dran! Aber mal im Ernst, das ist doch eine Bleibe, die einem gefallen könnte. Und wie ich aus dem Fernsehen weiß, gibt es Leute, die tatsächlich so wohnen! Ich lasse mir meine Kunst ja lieber direkt auftragen, aber wenn man mehr auf Wandmalereien reflektiert, ist das doch was! Aber lassen wir uns mal nicht von der Deko ablenken. Natürlich geht es hier um die
Menschen
. In diesem Fall um zwei hinreißende Mädchen namens Daniela und Biljana. Wollen wir mal kurz die Terminals checken, ob blond oder dunkel derzeit höher im Kurs steht … Aha, dunkel! Ich mach nur Witze, es ist blond, was denn sonst. Ja, ja, schon gut, ich mach mich wieder unbeliebt. Der eine oder andere junge Mann in der Gruppe wird sich jetzt vielleicht fragen, warum die strenge Dame im Vordergrund, die sich so beherzt am Kühlschrank zu schaffen macht, eine Zahl auf ihrem Display stehen hat, die gut fünfmal so hoch ist wie jene der süßen Ladys, die eben mit ihrem Staubwedel die dritte Schicht Farbe von dem Gemälde abtragen. Nun, das hat einen Grund: Diese Dame ist eine professionelle … Haushaltsmanagerin. Was denken Sie denn?! Sie erstellt Ernährungspläne nach biologischen Grundlagen, sie befreit das
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