Kauft Leute
Klienten haben sie es nicht immer ganz leicht gehabt, aber heute wird für sie das Startband zum zweiten Mal zerschnitten und ihr aller Wunsch nach einem Neuanfang wird wahr.
Aber meine Damen und Herren, auch Ihre Wünsche sollen sich erfüllen. Deswegen haben wir noch mehr als bisher an Ihre Ansprüche und Vorstellungen gedacht! Ich bin sicher, Sie werden sogar Ihre unausgesprochenen Wünsche wiedererkennen!
Wenn ICH mir eines wünschen darf, dann dass dieser Abend für uns alle ein großes gelungenes Fest wird. Ich sage Ihnen auch warum: Weil wir jeden Tag arbeiten und Entscheidungen treffen, damit es unseren Lieben und den Menschen, für die wir Verantwortung übernommen haben, gut geht.
Weil man auf Zweifel und Widerstände trifft, und dennoch weitermacht.
Die Welt verändert sich. Privilegien verschwinden. Verdienste wiegen nicht mehr so schwer wie in früheren Zeiten. Wer Eigentum besitzt, gerät mehr und mehr in Erklärungsnotstand. Erfolg gilt vielen als Makel.
Aber eines ändert sich nicht: Unser
Glaube
an den Menschen. Die
Freude
am Menschen. Wir kriegen einfach nicht genug von ihm!
Meine Damen und Herren, Oberbürgermeister: Feiern wir zusammen die neue Generation von HÜMANIA! Bitte folgen Sie mir durch das Foyer und die Säulenhalle in den Park auf der anderen Seite des Schlosses!«
»Welch seltsame Rede«, sinnierte Caro, während sie mit Danesita langsam inmitten der anderen Gäste durch das Vestibül des Barockschlosses ging.
»Sie hätten die ursprüngliche Version lesen sollen. Es kam viermal das Wort
Elite
vor«, sagte Danesita.
Ein junger Mann drängte sich zwischen den Gästen hindurch und berührte Caro an der Schulter. »Caro, hi, ich bin der Benno Neureither!«
»Oh Gott, hallo!«, rief Caro und staunte, wie klein der subversive Herr Neureither war.
»Du siehst aus wie auf dem Foto«, bemerkte er. Caro murmelte unhörbar in der Geräuschwolke aus klappernden Schuhen und plappernden Menschen: »Sieh besser noch mal hin …«
»Und«, versuchte Benno ein Gespräch in Gang zu bringen, »habt ihr die neue Generation schon begutachtet?«
Danesita zeigte sich von seinem sonstigen Enthusiasmus weit entfernt und erklärte: »Ich denke, das Individuelle bleibt auf der Strecke, wir in Wien werden da strikt einen anderen Weg gehen.«
Als die drei von der elektrisierten Menge in den Park auf der Rückseite des Schlosses gedrückt wurden, entfuhr Caro ein entgeistertes »Mariaundjosef!«. Der Riesenzeppelin war aus Caros Büroplakat herausgesegelt und verdeckte nun den halben Münchner Sternenhimmel mit seiner gewaltigen schwerelosen Masse. Scheinwerfer waren auf das Fluggerät, seine Kabine und das Unternehmenslogo gerichtet. Das Erste, das Caro bei diesem Anblick fühlte, war, dass man diesen in den Seilen zitternden Riesen gefangen hatte, um ihn nun vor den Augen aller aufzuspießen und kaltzumachen.
Nach und nach bewegten sich auch die letzten Gäste nach draußen und starrten in den Himmel. Nur die Geistesgegenwärtigeren unter ihnen begriffen, dass sich die eigentliche Attraktion
unter
dem Luftschiff befand.
Eine schwarze Plane verdeckte, was noch ungesehen bleiben sollte. Als Ruhe ins Publikum gekommen war, und keiner der Gäste mehr aus dem Schloss nach draußen drang, sprach jemand am Boden in ein Funkgerät und der Zeppelin begann den Steigflug. Nach einigen Metern spannten sich die Seile, die mit der tennisplatzgroßen Plane am Boden verbunden waren, und die schwere schwarze Folie wurde vom Luftschiff in die Nacht hochgezogen. Als die Plane die Tribüne am Boden freizugeben begann, auf der die fünfzig Männer und fünfzig Frauen in fünf Reihen hintereinander aufgefädelt standen wie ein Chor oder der Abschlussjahrgang einer Universität, bewegte sich der Zeppelin nicht nur schnurgerade nach oben, wie das vorgesehen war, sondern auch einige Meter in der Horizontale, weg vom Schloss. Der Effekt war, dass die Plane einige der Steher, die laternengleich an den Rändern der Tribüne in die Höhe ragten, umriss und die Folie an diesen Stellen über die stehenden Menschen hinwegrutschte. Einige gingen in die Knie, andere versuchten, die dicke Plane mit den Händen wegzustemmen, ein paar ließen sie einfach über ihren Rücken und Hinterkopf gleiten. Da und dort quietschte jemand vor Schreck, und auch der eine oder andere gebellte Befehl oder Aufruf zur Vorsicht war zu hören, hinzu kamen die Geräusche der brechenden Metallsteher.
Die Zuschauer hörten für Momente auf zu atmen und
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