Kavaliersdelikt-Liebe ist universell
nicht wegen eines anderen Mädchens Schluss gemacht hatte, denn das hatte sie befürchtet. Sie waren weiterhin befreundet, und soweit er es mitbekommen hatte, lief neuerdings etwas zwischen ihr und Carsten. Er hoffte sehr, dass dieser ihr mehr geben konnte als er.
Letzte Woche hatte Leandro Hendriks Eltern kennengelernt und war bei ihnen zum Essen eingeladen worden. Dessen Mutter hatte er ja bereits gesehen, nun kannte er auch seinen Vater. Dieser war Hendrik nicht wirklich ähnlich, klein, stämmig gebaut mit breiten Schultern und einem sonnenverbrannten Gesicht. Sie hatten in seinem Arbeitszimmer gesessen, nur sie drei, weil Hendriks Mutter noch etwas einkaufen gefahren war, und er hatte ihnen von seiner Affäre mit einem anderen Mann in seiner Studienzeit erzählt.
„Jetzt kann ich euch ja davon erzählen“, hatte er verschwörerisch gemeint. „Anita reagiert immer ein wenig eifersüchtig, wenn ich davon berichte.“ Atemlos und staunend hatte Leandro gelauscht, schwankend zwischen Bewunderung und peinlicher Berührtheit über diese Offenheit. Hendriks Vater hatte lächelnd gemeint, es wäre unglaublich schön gewesen, von einem Mann zärtlich berührt zu werden, sich auch einmal schwächer geben zu dürfen, keine klare Rolle spielen zu müssen. Sie waren nie über das gegenseitige Befriedigen und Oralverkehr hinausgekommen, dennoch waren es mit die schönsten Erlebnisse, die er je gehabt hatte, hatte er erklärt und seine leuchtenden Augen hatten Leandro an Hendriks erinnert, wenngleich sie eine andere Farbe hatten.
„Nie möchte ich diese Erfahrung missen“, hatte dessen Vater geseufzt und lächelnd von einem Jungen zum anderen geschaut. „Ich liebe Anita sehr und würde nie etwas an meinem Leben ändern wollen. Gerd war allerdings meine erste echte große Liebe. Ich wünsche mir sehr, dass ihr zwei diese Zeit wirklich genießt. So etwas kommt nie wieder.“
Hendriks Vater war beeindruckend, fand Leandro.
Rieke, Hendriks Schwester, hatte Leandro bereits in der ersten Woche, nachdem er mit Hendrik zusammengekommen war, getroffen. Beim Essen mit deren Eltern hatte Leandro schließlich auch dessen Bruder Hannes kennengelernt, der ihn immer wieder verstohlen gemustert hatte. Von Hendrik wusste Leandro, dass sein älterer Bruder sich mit dessen Schwulsein und natürlich seinem Freund etwas schwer tat.
Beim Nachtisch waren sie ganz unerwartet auf das Gesprächsthema Musikvideos gekommen. Überrascht hatten alle gelauscht, als Hannes ihm plötzlich ausführlich von diversen technischen Möglichkeiten erzählte, wie man Filme schneiden und welche Effekte man am PC machen konnte. Anschließend hatte er Leandro und Hendrik gezeigt, was er selbst gebastelt hatte und sie waren wirklich beeindruckt gewesen. Hannes hatte zum Abschied sogar angeboten, den „Chevaliers of Chaos“ beim Anfertigen eines Musikvideos zu ihrem neuesten Song zu helfen.
Hendrik hatte sich vor Staunen über seinen aufblühenden Bruder gar nicht wieder eingekriegt. Nach seinen Worten ließ Hannes sonst nie jemanden in sein Zimmer und schon gar nicht an seinen PC. Hendrik hatte sich sehr zufrieden damit gezeigt, dass Hannes sein bisheriges Einsiedlerdasein aufgeben wollte.
Alles lief perfekt. Leandro lächelte versonnen und beobachtete einen Schmetterling, der sich taumelnd durch den Garten bewegte.
Heute, dieses Wochenende, waren Leandros Eltern nicht da und er hatte Hendrik zum ersten Mal zum Übernachten eingeladen. Sie hatten sich schon oft hier getroffen, eigentlich immer, wenn Leandro alleine zuhause gewesen war. Ab und an waren sie auch bei Hendrik in dessen Zimmer gewesen, allerdings hatten sie sich dort nie mehr getraut, als sich ein wenig zu küssen.
Hannes Zimmer lag direkt neben Hendriks und sie wollten auf gar keinen Fall, dass er sie hörte.
Heute hingegen würden sie ganz alleine sein, das ganze Haus für sich haben. Leandro freute sich schon den ganzen Vormittag darauf. Unruhig hatte er jede Stunde gezählt, sich kaum auf irgendetwas anderes konzentrieren können.
Hendrik hatte morgens noch in der Gärtnerei seiner Eltern aushelfen müssen. Jetzt war er auf dem Weg zu Leandro, der schon nervös im Flur auf und ab wanderte und immer wieder zum Gartentor hinsah. Am liebsten wäre er hinausgestürzt und zur Bushaltestelle gegangen, hätte dort auf Hendrik gewartet.
Jede Minute, die sie getrennt waren, war zu lang. Er sehnte sich nach Hendriks zärtlichen Berührungen, nach seinen Küssen, danach ihn zu halten und von ihm
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