Kay Scarpetta 16: Scarpetta
besser, sich bedeckt zu halten. Und zurzeit würde ich dir raten, einen Bogen um Dr. Lester zu machen und zu schweigen. Mist«, fügte er plötzlich hinzu.
Er fischte seine Hose wieder aus dem Wäschekorb, griff in die Tasche und holte den noch immer in die violetten Handschuhe gewickelten USB-Stick heraus.
»Das hier könnte wichtig sein«, sagte er.
Scarpettas Mobiltelefon läutete. Es war Dr. Kiselstein von Y-12.
»Lucy berichtet, alles sei wohlbehalten eingetroffen«, begann Scarpetta, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. »Ich möchte mich tausendmal bei Ihnen entschuldigen. Ich hoffe, Sie mussten nicht zu lange warten.«
Dr. Kiselsteins Stimme mit ihrem deutschen Akzent. »Da ich normalerweise keine Proben von Privatjets abhole, habe ich mich mit Musik aus dem iPod getröstet, den meine Frau mir zu Weihnachten geschenkt hat. Das Ding ist so klein, dass man es als Krawattennadel tragen könnte. Also kein Problem. Ich kenne McGhee Tyson, den Luftwaffenstützpunkt der Nationalgarde, obwohl Jets von millionenschweren Privatbürgern dort recht selten landen. Normalerweise werden uns die Sachen aus Langley, die die NASA geheim halten will, von einer C-130 oder einer anderen Frachtmaschine angeliefert. Fehlerhafte Hitzeschutzschilder zum Beispiel. Oder Prototypen, was mir lieber ist, weil die noch keine Katastrophe hinter sich haben. Hinter seltsamen Lieferungen von Ihnen steckt allerdings meistens etwas Unangenehmes. Ich habe schon ein paar Ergebnisse, denn mir ist klar, wie eilig es Ihnen ist. Der offizielle Bericht über die Analyse wird jedoch noch ein Weilchen dauern.«
Benton gab das Warten auf, tätschelte ihre Wange und ging duschen.
»Es handelt sich im Grunde genommen um eine Salbe, vermischt mit Blut, vermutlich Schweiß und Silbersalzen sowie Baumwoll- und Wollfasern«, fuhr Dr. Kiselstein fort.
Scarpetta setzte sich aufs Sofa und nahm Stift und Notizblock aus einer Schublade des Beistelltischs.
»Hauptsächlich Silbernitrat und Kaliumnitrat. Außerdem Kohlenstoff und Sauerstoff, was zu erwarten war. Ich schicke Ihnen die Bilder per Mail in unterschiedlichen Vergrößerungen, bis zu eintausend. Selbst bei fünfzigfacher Vergrößerung erkennt man bereits, dass die mit Blut und Silber befleckten Stellen aufgrund ihrer höheren Atomzahl viel heller sind. Außerdem sieht man Silbernitrat im Holz - kleine, silbrig weiße Flecken, die gleichmäßig auf der Oberfläche verteilt sind.«
»Das mit der gleichmäßigen Verteilung ist interessant«, antwortete sie. »Ist es bei den Baumwollfasern genauso?«
»Ja, das ist bei den höheren Vergrößerungsstufen deutlich festzustellen. «
Für Scarpetta wies eine gleichmäßige Verteilung eher auf eine Manipulation hin als auf eine zufällige Verschmutzung. Doch wenn sie mit ihrer Vermutung richtig lag, hatten sie es wahrscheinlich mit einer Mischung aus beidem zu tun.
»Was ist mit Hautzellen?«, fragte sie.
»Ja, eindeutig. Die werden noch im Labor untersucht, was ein paar Tage dauern kann. Was haben wir verbrochen, dass wir einfach keine Ruhe kriegen? Dass Sie so viele Proben geschickt haben, erschwert die Sache zusätzlich. Ich rufe Sie wegen zwei davon an, eine aus jeder Quelle, also von dem Stuhl und dem Abstrich. Man möchte meinen, dass die Baumwoll- und Wollfasern von der Leiche stammen, doch das kann ich noch nicht genau feststellen. Aber von der Sitzfläche des Stuhls haben Sie keine Abstriche genommen, oder?«
»Nein, die habe ich nicht angerührt.«
»Dann müssen wir daraus schließen, dass die Baumwoll- und Wollfasern auf dem Polster der Sitzfläche aus einem anderen Grund dorthin gekommen sind. Vielleicht wurden sie von der Salbe übertragen, was uns vor eine Herausforderung stellt, weil sich daraus nichts schließen lässt. Das heißt, dass wir variablen Druck einsetzen müssen, um das hohe Vakuum herzustellen, das man zur Erzeugung des Elektronenstrahls braucht, wenn der Rest der Kammer wieder mit trockener, gefilterter Luft gefüllt wird. Außerdem haben wir die Streuung des Elektronenstrahls durch Verringerung der Entfernung reduziert. Aber das sind alles nur Vorwände. Die Salbe ist deshalb so schwer darzustellen, weil sie unter dem Elektronenstrahl schmilzt. Ich fürchte, wir müssen warten, bis sie trocknet.«
»Silbernitrat zum Peeling der Haut vielleicht? Das ist das Erste, was mir dazu einfällt«, sagte Scarpetta. »Das könnte auch das Vorhandensein von Blut, Schweiß und Hautzellen
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