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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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warum die anderen Mädchen sie verabscheuten.
      An diesem Punkt schwenkte der Chef um und verwandelte seinen Bericht in eine Geschichte, eine Form, die er bis zur Vollkommenheit beherrschte.
    ... An jenem Nachmittag saß Kay, unsere kleine Südstaatlerin, allein im Chemiesaal und arbeitete an einer Fleißaufgabe, um ihre Note noch weiter zu verbessern. Da kam Schwester Polly hereingestürmt und rauschte in ihrer schwarzen Tracht und mit fliegendem Schleier durch den leeren Raum. Ein strenger Blick aus frommen Augen richtete sich auf die kleine Kay.
      »Was lehrt der liebe Gott uns über das Verzeihen, Kay?«, fragte Schwester Polly, die Hände in die jungfräulichen Hüften gestemmt.
      »Dass wir unserem Nächsten verzeihen müssen, so wie er uns verziehen hat.«
    »Und hast du seinem Gebot gehorcht? Was hast du dazu zu sagen?«
    »Ich habe nicht gehorcht.« » Weil du gepetzt hast.«
      »Ich habe an einer Rechenaufgabe gesessen. Meine Bleistifte lagen auf dem Tisch, Schwester Polly, und Sarah hat sie alle zerbrochen. Deshalb musste ich neue kaufen. Sie weiß doch, dass meine Familie arm ist ... «
      »Und jetzt hast du schon wieder gepetzt.« Schwester Polly griff in ihre Tasche. »Gott glaubt an die Wiedergutmachung«, sagte sie. Nachdem sie der kleinen Kay fünfundzwanzig Cent in die Hand gedrückt hatte, gab sie ihr eine Ohrfeige.
      Dann wies Schwester Polly sie an, für ihre Feinde zu beten und ihnen zu verzeihen. Sie tadelte die kleine Kay streng, weil Petzen eine Sünde sei, und betonte ausdrücklich, dass der liebe Gott nicht viel für Menschen übrig habe, die den Mund nicht halten könnten.
      Im Badezimmer auf der anderen Seite des Flurs verschloss Schwester Polly die Tür und nahm ihren schwarzen Ledergürtel ab. Dann befahl sie der kleinen Kay, ihren karierten Kittel, die Bluse mit dem Peter-Pan-Kragen und die Unterwäsche auszuziehen. Anschließend musste sie sich vorbeugen und ihre Knie umfassen...
    Nachdem Shrew sich vergewissert hatte, dass die Kolumne reif für die Veröffentlichung war, gab sie ihr Passwort als System-Administrator ein, um auf die Website zugreifen zu können. Allerdings hatte sie kein gutes Gefühl, als sie den Text ins Netz stellte.
      Hatte Scarpetta in letzter Zeit etwas getan, um den Hass des Chefs - wer immer er auch sein mochte - heraufzubeschwören?
      Shrew blickte aus dem Fenster hinter ihrem Computer und stellte fest, dass schon den ganzen Tag ein Streifenwagen vor dem Mietshaus aus Backstein auf der anderen Straßenseite parkte. Ob wohl ein Polizist eingezogen war? Jedoch hielt sie es für ziemlich unwahrscheinlich, dass ein gewöhnlicher Cop sich die Mieten in Murray Hillleisten konnte. Vielleicht beobachtete er ja das Haus. Womöglich trieb sich ja ein Einbrecher oder ein gefährlicher Verrückter in der Gegend herum. Wieder musste sie daran denken, dass der Chef offenbar plante, der Gerichtsmedizinerin, die sie so bewunderte, den Neujahrstag zu verderben.
      Zuletzt hatte sie Dr. Scarpetta ein paar Tage nach Weihnachten im Fernsehen gesehen. Das war anlässlich der Ermordung von Benazir Bhutto gewesen. Dr. Scarpetta hatte diplomatisch und taktvoll beschrieben, welchen Schaden ein Schrapnell, eine Kugel oder stumpfe Gewalteinwirkung anrichten konnten, und zwar abhängig davon, welcher Teil des Gehirns und des Rückenmarks betroffen war. Vielleicht war das der Grund für die erste Kolumne des Chefs heute Morgen gewesen. Aber die zweite Kolumne jetzt? üb Dr. Scarpetta einer Person mit starken Vorurteilen auf die Zehen getreten war? Wenn ja, was für ein Mensch war dann Shrews Arbeitgeber? Handelte es sich um jemanden, der Pakistaner oder den Islam hasste? Der die Demokratie, Menschenrechte oder die Gleichberechtigung der Frau ablehnte? Es konnte natürlich auch sein, dass es sich bei diesem zeitlichen Zusammentreffen um einen Zufall handelte und dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte.
      Allerdings wurde Shrew den Gedanken nicht los, dass es sich doch so verhielt, und ihr kam plötzlich ein völlig neuer und schrecklicher Verdacht. Was, wenn sie für eine terroristische Vereinigung arbeitete, die diese berüchtigte und sehr profitable Klatschseite im Internet dazu benutzte, heimlich Informationen mit extremistischen Sympathisanten auszutauschen, Propaganda zu verbreiten und - was am schlimmsten war - Terroranschläge zu finanzieren?
      Shrew wusste es nicht. Doch wenn sie richtig lag, war es nur eine Frage der Zeit, bis man sich mit ihr

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