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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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drei Töchter wollten noch immer nichts von ihm wissen. Bis zum heutigen Tage zeigten ihm einige seiner früheren FBI-Kollegen wegen seiner zweifelhaften moralischen Grundsätze die kalte Schulter. Doch das kümmerte ihn nicht.
      Noch schlimmer als die Gleichgültigkeit und die Leere dort, wo er eigentlich Reue hätte empfinden müssen, war die Gewissheit, dass er es jederzeit wieder tun würde. Und er tat es oft, zumindest in seinen Gedanken. Er ließ die Szene in dem Hotelzimmer Revue passieren. Seine Verletzungen bluteten und mussten genäht werden. Scarpetta versorgte sie. Und kaum hatte sie ihn verbunden, begann er schon, sie auszuziehen. Es war wie ein Traum gewesen.
      Was ihn rückblickend betrachtet bis heute wunderte, war, dass er es geschafft hatte, über fünf Jahre lang mit ihr zusammenzuarbeiten, ohne schon früher der Versuchung zu erliegen. Je weiter er in seinen Gesprächen mit Dr. Thomas in der Geschichte seines Lebens zurückblätterte, desto mehr erstaunliche Dinge fielen ihm auf. Vor allem war da Scarpettas Begriffsstutzigkeit. Sie hatte wirklich nicht geahnt, was er empfand, und war sich ihrer eigenen Gefühle dennoch bewusst gewesen. Das hatte sie ihm zumindest gesagt, als er ihr gestanden hatte, er habe mit wenigen Ausnahmen eine Erektion verbergen wollen, wenn er seinen Aktenkoffer auf dem Schoß hielt.
    Auch bei unserer ersten Begegnung?
    Vermutlich.
    Im Leichenschauhaus? Ja.
      Als wir in deinem schauerlichen Konferenzsaal in Quantico Fälle durchgegangen sind und Berichte gelesen, Fotos gesichtet und endlose Debatten geführt haben?
      Besonders dann. Und wenn ich dich anschließend zu deinem Auto begleitet habe, musste ich mich überwinden, um nicht einzusteigen und ...
      Wenn ich das geahnt hätte, hatte Scarpetta ihm eines Abends gesagt, nachdem sie viel Wein getrunken hatten, hätte ich dich auf der Stelle verführt, anstatt fünf gottverdammte Jahre solo zu vergeuden.
    Solo? Soll das heißen ... ?
      Nur weil ich Tag für Tag mit Toten zusammen bin, bedeutet das nicht, dass sich bei mir nichts mehr regt.
      »Das ist der wichtigste Grund, warum ich es nicht tun werde«, verkündete Jaime Berger gerade. »Antidiskriminierungsgesetz. Politische Eitelkeiten. Hörst du mir überhaupt zu?«
      »Ja. Wenn ich ein bisschen abwesend wirke, muss das am Schlafmangel liegen.«
      »Ich will mich auf gar keinen Fall dem Vorwurf der Voreingenommenheit aussetzen. Insbesondere jetzt während der öffentlichen Debatte über Kleinwüchsigkeit und die jahrhundertealten Vorurteile und Missverständnisse in diesem Zusammenhang. Nehmen wir zum Beispiel die Post von heute Morgen. Die Schlagzeile war etwa so groß.« Sie hielt die Hände ungefähr fünf Zentimeter auseinander. »Killerzwerg. Entsetzlich. Genau das wollen wir vermeiden. Ich rechne mit Konsequenzen, insbesondere wenn andere Medien den Ausdruck aufgreifen und er sich immer mehr festsetzt.« Sie sah ihm in die Augen. »Leider habe ich ebenso wenig Einfluss auf die Presse wie du.«
    Das klang, als hätte sie etwas anderes gemeint.
      Benton hatte damit gerechnet. Er wusste genau, dass Berger nicht nur wegen des Falls Terri Bridges hier war. Er hatte einen taktischen Fehler gemacht. Es wäre besser gewesen, die Gotham-Gotcha- Kolumne früher zu erwähnen.
      »Die Errungenschaften des modernen Journalismus«, fügte Berger hinzu. »Wir wissen nie, was wahr ist.«
      Am liebsten hätte sie Benton vorgeworfen, sein Schweigen sei so gut wie eine Lüge gewesen. Doch faktisch stimmte das nicht. Pete Marino hatte kein Verbrechen begangen. Dr. Thomas hatte recht. Da Benton während des Vorfalls nicht zugegen gewesen war, würde er nie erfahren, was genau Marino in jener schwülwarmen Nacht letzten Mai in Charleston getan hatte. Marinos absolut untragbares Verhalten unter Alkoholeinfluss war nie gemeldet und auch kaum besprochen worden. Auch die kleinste Andeutung von Bentons Seite wäre Verrat an Scarpetta - und auch an Marino - und außerdem nichts als Hörensagen gewesen, was Berger unter anderen Umständen niemals dulden würde.
    »Leider«, erwiderte Benton, »passiert in der Klinik dasselbe. Die anderen Patienten geben ihm Spitznamen.« »Revuezwerg, Zirkusäffchen, der Zauberer von Oz«, bestätigte Berger.
      Sie griff nach ihrem Kaffeebecher. Jedes Mal, wenn sie die Hand bewegte, bemerkte Benton, dass der dicke Diamantring und der passende Ehering fehlten. Beinahe hätte er im vergangenen Sommer nachgefragt, da er sie schon einige

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