Kay Scarpetta bittet zu Tisch
ständig allein«, hielt Lucy ihr entgegen. Sie öffnete den Kühlschrank, erspähte Marinos sündhaften Eggnog und freute sich schon darauf, von ihm überwältigt zu werden.
»Über die Ferien allein zu sein ist etwas anderes«, fuhr Scarpetta fort. »Und natürlich hast du das schon oft gemacht. Zu oft. Und nie mit meinem Segen.«
Sie rupfte noch mehr Basilikum von den Zweigen, gab die Blätter in die Sauce und rührte beim Reden um.
»Wenn du nichts mit deiner Mutter und deiner Großmutter zu tun haben willst, kann ich's auch nicht ändern«, sagte sie. »Aber du kannst dich nicht für immer und ewig verstecken, Lucy. Irgendwann kommt der Tag der Auseinandersetzung. Warum ihn hinausschieben? Warum willst du sie nicht so sehen, wie sie sind, und dann dein Leben weiterleben?«
»So wie du es getan hast?« sagte Lucy, aus der nun der ganze Ärger hervorbrach, den sie in ihrem Herzen verborgen gehalten hatte. Scarpetta legte den Löffel hin und schaute ihrer Nichte in die Augen.
»Ich wünsche dir, daß du es viel früher hinkriegst als ich«, s agte Scarpetta ruhig. »Als ich so alt war wie du, Lucy, hatte ich niemanden, mit dem ich hätte reden können. Du hast wenigstens mich.«
Lucy schwieg einen Augenblick. Sie fühlte sich elend. Oft schon hatte sie eine grobe Bemerkung, eine ungerechtfertigte Beschuldigung oder Beleidigung zurücknehmen wollen, die sie dem einzigen Menschen an den Kopf geworfen hatte, der ihr Liebe entgegenbrachte.
»Es tut mir leid, Tante Kay«, sagte sie.
Scarpetta wußte, daß sie es wie immer ehrlich meinte. »Aber, weißt du ... Warum sollte ich hinfahren und mich wieder zum Opfer machen lassen?« fing Lucy erneut an. »Um mich bei ihr für ihr gottverdammtes Tuch zu bedanken? Damit sie mir Fragen über mein Leben stellen kann? Sie weiß doch nicht einmal, daß ich ein eigenes Leben führe, und vielleicht will ich ja auch gar nicht, daß sie es weiß. Und möglicherweise fahre ich auch deshalb nicht mit, damit sie mir nicht, wie schon so oft, ein schlechtes Gewissen einimpft.«
Scarpetta drehte sich wieder zum Herd. »Du solltest dir nie von irgendwem ein schlechtes Gewissen einimpfen lassen, Lucy«, sagte sie. »Da bin ich ganz deiner Meinung. Aber verbeiße dich nicht in dieser trotzigen Isolation, indem du morgens, mittags und womöglich auch noch spätabends an deinem Computer hockst oder im Schießstand stehst. Teile dein Leben mit jemandem. Du bestimmst jetzt, wo es langgeht, nicht deine Mutter oder sonst jemand. Lache, erzähle Geschichten, geh ins Kino, bleib lange auf. Freunde. Irgendeinen mußt du doch haben auf dieser
Welt.«
Lucy lächelte. Sie hatte mehr als nur einen. »Lade sie doch ein«, bot Scarpetta ihr an. »Mir ist egal, wen. Das Haus ist groß genug, und der Kühlschrank ist voll.«
»Apropos«, erwiderte Lucy, »wann essen wir, und was gibt's z um Nachtisch?«
Mit schweren Schritten kam Marino durch die Tür. Er sah verschlafen aus, das Hemd hing aus der Hose, die Schuhe waren offen.
»Ist aber auch Zeit, daß Sie zurück sind, Miß ATF«, grummelte er.
»Du bist schuld, daß wir uns noch nicht an den Eggnog machen konnten.« Er servierte den Drink in Whiskygläsern, und sie tranken auf ein weiteres gemeinsames Jahr.
Scarpettas Festtagspizza
Sie sollten nie auch nur in Erwägung ziehen, dieses umwerfend herzhafte und wohlschmeckende Gericht zu kochen, wenn Sie nicht reichlich Zeit mitbringen und wirklich bereit sind, harte, selbstlose Arbeit zu verrichten. Man will mit dieser Mahlzeit andere beglücken. Für sich allein nimmt man all die Mühe nicht auf sich, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß man nach getaner Arbeit zu müde ist, um es genießen zu können. Es sei denn, man hat Reste für den nächsten Tag, und das kommt normalerweise nicht vor.
Beginnen wir mit dem Einkauf. Für einige der Zutaten müssen Sie Spezialitätengeschäfte und Feinkostläden aufsuchen, die eine große Auswahl an Gourmetprodukten und importierten Käsen anbieten. Eine der wichtigsten Zutaten, die Scarpettas Pizza von allen anderen unterscheidet, ist der VollmilchMozzarella, den sie verwendet. Man erhält ihn in Kugeln, die in Salzlake eingelegt sind. Ungefähr vier Kugeln dürften reichen, aber das hängt ganz davon ab, wie dick Sie die Käseschicht haben möchten und wie viele Pizzas Sie machen wollen. Nehmen Sie keinesfalls entrahmten Mozzarella! Außerdem benötigen Sie ungefähr ein halbes Pfund Fontina oder Parmesan. Auch das Mehl ist ungemein wichtig.
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