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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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sagte Etienne angewidert. »Dieser Priester ist ein törichter Hinterwäldler, der ins Mittelalter gehört. Das ist kein Fall für die Kirche, sondern für eine medizinische Institution.«
»Eine Anstalt?« murmelte ich. »Du meinst eine Irrenanstalt!«
    Etienne seufzte. »Ich wünschte, du würdest nicht so gefühlsbeladene Begriffe gebrauchen. Das Kind scheint unter einer Geistesstörung zu leiden, die ich unter den gegebenen Umständen fast erwartet hatte. Es gibt kaum etwas Gefährlicheres für den menschlichen Geist als die Art von abwegigem Genie, die du mir beschrieben hast.« Er legte eine Hand auf meinen Arm, ehe er ruhig hinzufügte: »Mein Liebling, du mußt wirklich anfangen, eine Anstalt ernstlich ins Auge zu fassen.«
»Aber . . . Anstalten sind doch etwas Schreckliches, nicht wahr?
    Man hört so furchtbare Berichte über die Grausamkeiten dort.« »Keineswegs«, erwiderte Etienne ruhig. »Einige sind besser als
andere, das will ich gar nicht leugnen, aber ich kenne zufällig eine ausgezeichnete Einrichtung, wo er in Sicherheit wäre und ihm
nichts geschehen würde. Er könnte seine Bücher und seine Musik
behalten. Er könnte dort ganz glücklich sein . . . oder zumindest so
glücklich, wie er auf dieser Erde überhaupt jemals sein kann.« Etienne betrachtete aus halbgeschlossenen Augen die vorbeifließende Seine. Er hatte eine rasche, kompromißlose Art, mit Gefühlen umzugehen, eine Art, die sowohl Leidenschaft als auch Sentiment verleugnete. Sein grenzenloser Optimismus vermochte selbst
den unangenehmsten Dingen eine respektable, annehmbare Form
zu geben. Eine Unterschrift auf den Einweisungspapieren, und all
meine Probleme wären gelöst. Bei ihm klang das so einfach und so
richtig.
Er beugte sich über mich, drückte mich zurück in das buschige
Gras, und ich überließ mich seinen begehrlichen Lippen. Es bedeutete, daß ich nicht denken, nicht mit mir selbst reden mußte. Ein
paar selige Minuten lang gab es nur physische Wonne und Befreiung vom Geist. Ich zog Etienne noch näher an mich und fürchtete
den Augenblick, wo er sich von mir wieder lösen würde. Ich glaube nicht, daß ich ihn zehn Jahre zuvor geliebt hätte, denn
vor zehn Jahren hätte ich es nicht ertragen, daß man mir auf so herrische Weise sagte, was ich zu denken und zu tun hatte. Jetzt gab es
nichts, was ich mir mehr wünschte, als in seinen Armen geborgen
zu liegen und vor der Häßlichkeit der Realität beschützt zu sein.
Wir waren Liebende, aber nicht im vollsten Sinne des Wortes, denn
er war zu logisch, zu rational, zu vernünftig, um das Risiko einzugehen, sich zu ruinieren. Er sehnte sich nach einer respektablen
Existenz, die der Würde seines Berufes entsprach, und ich wußte,
daß solche heimlichen Verbindungen wie unsere mit der Zeit ihre
Anziehungskraft verlieren. Vernünftigerweise wünschte er sich etwas Zukunftverheißendes. Doch welche Zukunft konnte es für uns
geben, wenn ich es nicht einmal wagte, ihn zum Abendessen einzuladen aus Angst, bei Erik heftige Wut auszulösen?
Ich wußte, daß dieser Zustand nicht endlos andauern konnte;
und doch gab es in meinem Hinterkopf einen frechen Eindringling,
der mir entschlossen einflüsterte, was ich vom ersten Augenblick
im Kirchenschiff an zu wissen geglaubt hatte:
Dieser Mann würde dich heiraten, wenn du frei wärest.
Wenn ich frei wäre von meinem schrecklichen Kind. Wenn ich es
in eine Anstalt für gewalttätige Wahnsinnige stecken würde . . . Ich war sehr still, als wir am Flußufer entlang zurückgingen, und
noch bevor das Dorf wieder in Sicht kam, schlug ich vor, es sei
besser, wenn ich allein weiterginge.
»Die Leute reden schon über uns. In deiner Position kannst du
dir keinen Skandal leisten.«
Er legte einen Arm um meine Schulter und hob mein Gesicht zu
seinem.
»Madeleine«, sagte er sanft, »es braucht keinen Skandal zu geben,
und du weißt das. Alles, was ich verlange, ist, daß du mich den
Jungen untersuchen läßt, damit ich ein professionelles Urteil über
seinen Geisteszustand abgeben kann.«
Aber ich wußte, dieses Urteil stand bereits fest, und trotz all meiner Verzweiflung war ich noch nicht bereit, den Judas zu spielen. »Wirst du über das nachdenken, was ich gesagt habe?« beharrte
Etienne.
»Ja«, sagte ich langsam, »ich werde darüber nachdenken.« Aber ich wußte, daß ich es nicht tun würde.
10. Kapitel
    Was die »Teufelsaustreibung« betraf, so hatte Etienne recht. Ich hätte das nie zulassen dürfen. Wenn Erik vor der Zeremonie noch

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