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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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nahm er plötzlich die Hände von seinem Gesicht und starrte mich mit einer Verzweiflung an, die jenseits aller Tränen war.
»Ich hasse dich auch«, sagte er mit langsamer, gequälter Überraschung, als sei das etwas, das ihm erst jetzt bewußt geworden war. »Ich hasse dich auch.«
Er wandte sich von mir ab und tappte langsam, wie ein blindes Kind, die Treppe hinauf.
    Erik sprach nie wieder von dem Mann. Von nun an zeigte er völlige Gleichgültigkeit gegen meine immer häufigere Abwesenheit und machte sich nicht einmal die Mühe aufzublicken, wenn ich nach Hause zurückkehrte. Er hüllte sich in einen Mantel undurchdringlichen Schweigens und verbrachte den größten Teil seiner Zeit allein in seinem Zimmer. Nur der Spaniel leistete ihm Gesellschaft.
    Der Hund wurde allmählich alt und übergewichtig und trat in jene Periode raschen Verfalls ein, die viele Hunde in ihrem zehnten Jahr erreichen. Erik trug Sally geduldig die steile Treppe hinauf und hinunter, die sie jetzt nicht mehr bewältigen konnte, badete ihre triefenden Augen und saß manchmal eine Stunde lang bei ihr, um sie mit der Hand zu füttern. Aber ich war nicht sicher, ob er wußte, daß der unvermeidliche Augenblick des Abschieds nahte. Und da dies kein Thema war, das ich mit ihm besprechen konnte, bat ich Vater Mansart, mit ihm darüber zu reden.
    Im Nebenzimmer, wo ich mit einer Näharbeit saß, konnte ich ihre ruhigen Stimmen kaum hören. Ja, sagte Erik ruhig, er wisse, daß Sally alt sei und nicht ewig leben könne, vielleicht nur noch ein Jahr oder so. Aber er verstehe, daß Gott sie zu sich in den Himmel nehmen und er daher nicht auf ewig von ihr getrennt sein würde.
    Ich spürte das schwere Einatmen des Priesters mehr, als daß ich es hörte, das Einatmen, mit dem er sich anschickte, den kindlichen, aber unannehmbaren Irrtum seines Schülers in bezug auf die kirchliche Lehre zu korrigieren. Er sagte, Erik möge verstehen, daß Gott zwar mit allen seinen Geschöpfen Mitgefühl habe, aber nur dem Menschen ein Leben nach dem Tod gewähre. Tiere, sagte Vater Mansart feierlich, hätten keine Seele . . .
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann, ohne Vorwarnung, ertönte ein Schrei unbeschreiblichen Kummers und Zorns, der mir beinahe das Herz zerriß. Ich eilte ins Wohnzimmer und sah gerade noch, daß Erik die Uhr packte, die auf dem Kaminsims stand, und sie ins Feuer schleuderte. Darauf nahm er zu meinem größten Entsetzen die Kohlenzange und schlug nach dem Priester, schreckliche Obszönitäten kreischend, Worte, von denen ich nicht einmal ahnte, daß er sie kannte. Als ich versuchte, mich zwischen die beiden zu werfen, traf mich die Zange mit voller Kraft an der Schulter und schnitt durch den Samt in mein Fleisch.
Der Priester riß mich zurück, aus der Reichweite der wild geschwungenen Waffe, die wahllos auf alles eindrosch, was ihr in den Weg kam.
    »Mein Gott!« keuchte ich. »Er wird die ganze Einrichtung zertrümmern! Lassen Sie mich ihn aufhalten.«
Vater Mansarts Antwort bestand darin, daß er mich durch die Tür zerrte und sie hastig hinter sich schloß. Ein wilder Hagel von Schlägen traf das Türblatt hinter uns, und das Holz begann zu splittern. Doch als ich nach der Klinke griff, packte der Priester meine Hand.
»Sie dürfen sich ihm nicht nähern . . . Er erkennt Sie nicht.«
Ich starrte ihn ungläubig an. Im Nebenzimmer gingen die Geräusche wilder Zerstörung unvermindert weiter. Das Gesicht des Priesters war leichenblaß, seine Lippen in Schmerz und Kummer zusammengepreßt.
»Ich habe versagt«, murmelte er erschöpft. »Ich habe vor ihm und vor Gott versagt.«
»Ich verstehe Sie nicht«, keuchte ich. »Wollen Sie damit sagen, daß er verrückt ist?«
Der Priester schüttelte grimmig den Kopf. »Es ist nicht Wahnsinn, mein Kind, es ist Besessenheit! Wenn Sie jetzt zu ihm hineingingen, würde er Sie womöglich umbringen. Wir müssen warten, bis der Dämon, der ihn in seiner Gewalt hat, müde wird und von ihm weicht.«
Ich schaute auf das Blut, das stetig in meinen Ärmel floß.
»Wird das . . . wird das wieder passieren?« stammelte ich unsicher.
Der Priester seufzte. »Wenn die Mächte der Finsternis einmal einen passenden Wirt finden . . . « Er breitete hilflos die Hände aus, ehe er weitersprach.
»Morgen werde ich eine Teufelsaustreibung vornehmen«, sagte er unglücklich.
Teufelsaustreibung!
Schwärze hüllte mich ein, und Vater Mansart fing mich auf, als meine Sinne schwanden.

∗ ∗ ∗
    » Exorzismus!«

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