Kay Susan
meines Gefängnisses hinausgingen.
Die Tage verflossen in ruhigem Gleichmaß. Erik saß da und arbeitete an einer Reihe von Entwürfen für ein Gebäude, wie ich es noch nie gesehen hatte. Es war ein so ungewöhnlicher und bizarrer Bau, daß ich ihn nur an seinen Außenmauern – Vorderfront, Seiten- und Rückfront – als solchen erkannte. Der Junge wurde angetrieben von einem wilden, elementaren Schaffensdrang, den ich nicht zu stören wagte. Wiederholt zerknitterte er Papierbögen und warf sie in wütender Enttäuschung ins Feuer. Als Sally aufmerksamkeitsheischend winselte und mit der Pfote nach seiner Hand tappte, hob er sie auf, trug sie hinaus in den finsteren Garten und sperrte sie aus.
Diese Tat war so untypisch für ihn, daß sie die lähmende Lethargie durchbrach, die mich ergriffen hatte. In diesem Augenblick sah ich ihn plötzlich als den erwachsenen Mann, der er werden würde – völlig verzehrt von seinem besessenen Streben nach Vollkommenheit, großartig und erschreckend in seinem skrupellosen Schaffenstrieb. Wie Vater Mansart vorhergesehen hatte, würde eine Zeit kommen, wo er die Schranken nicht mehr akzeptierte, die die menschliche Rasse in ihre Grenzen weisen. Er würde nach seinem eigenen Gesetz leben, unbeirrt von lästigen Fragen nach Recht und Unrecht: eine für Gott gänzlich verlorene Seele.
Als er endlich mit einem Seufzer der Erschöpfung seinen Bleistift hinlegte, sah ich ihn suchend zum Feuer blicken und überrascht aufschauen.
»Wo ist Sally?« fragte er besorgt.
»Im Garten«, antwortete ich stirnrunzelnd. »Erinnerst du dich nicht? Sie hat dich gestört, und . . . «
»Du solltest sie nicht abends in den Garten lassen, Mutter. Es ist dort nachts zu kalt für sie, jetzt, wo sie alt ist.«
Ich saß in meinem Sessel, geprüft und verdammt von seiner unerschütterlichen Bosheit, vage verwirrt über die Möglichkeit einer Gedächtnislücke in seinem armen Schädel.
Würde er immer die Taten vergessen, an die er sich nicht erinnern wollte?
Ehe ich mich genügend sammeln konnte, um auf seine Anschuldigung zu antworten, wurde das eintönige Winseln vor der Haustür zu einem hektischen Bellen, als Sally ihre geduldige Wache auf den Türstufen aufgab und zum Gartentor rannte.
»Schaut mal!« schrie eine Stimme auf der Straße. »Da ist der Hund des Ungeheuers!«
Durch das Fenster sah ich den Schein von Laternen, und einen Augenblick später prasselte ein Hagel von Steinen in Richtung Gartentor. Als Sally schmerzvoll aufjaulte, sprang Erik auf die Füße und eilte zur Tür, doch ich erreichte sie zuerst.
»Bleib!« schrie ich. »Siehst du nicht, daß sie versuchen, dich nach draußen zu locken? Sie werden dich umbringen, wenn du zu ihnen hinausgehst.«
Die Augen hinter der Maske glommen in irrer Wut. Als er mich mit einer Gewalt zur Seite schleuderte, die mir den Atem nahm, stieß ich mit dem Kopf gegen den Geländerpfosten am Fuß der Treppe. Ein paar Augenblicke lang war ich benommen; ich konnte nur auf dem Boden kauern und mit ungläubigem Entsetzen den häßlichen Stimmen des Pöbels und Eriks fürchterlicher Wut lauschen.
Lachen und Gebrüll . . . der schrille Schmerzensschrei eines Menschen. Sallys hektisches Bellen, das zunächst immer lauter wurde und dann in einem langen, jämmerlichen Jaulen endete.
Gleich darauf Eriks gellendes, wahnsinniges Wutgeheul.
»Ich bringe euch um! Ich bringe euch alle um!«
Benommen rappelte ich mich auf und taumelte zur offenen Haustür, doch die Laternen schwankten und tanzten bereits ein Stück die Straße hinunter, vertrieben von der dämonischen Wut eines außer sich geratenen Kindes. Als Erik den plattenbelegten Weg heraufkam, Sally in den Armen, sah ich am unnatürlichen Herunterhängen ihres Kopfes sofort, daß ein harter Schlag ihr das Genick gebrochen hatte.
Ich streckte die Hand nach Erik aus, aber er ging an mir vorbei, als existiere ich nicht. Wie betäubt folgte ich ihm in die Küche, wo ich ihn neben dem blutigen Fellbündel kniend fand, die mageren Schultern von schrecklichem Schluchzen geschüttelt.
Im Licht der Öllampe konnte ich erkennen, daß ihm beim Kampf die Maske abgerissen worden und sein gelbes Fleisch an mehreren Stellen aufgerissen war. Blut rann ihm in die Augen, und als er eine Hand hob, um es abzuwischen, hielt ich plötzlich den Atem an. Das Blut auf seinem Hemd stammte nicht von Sally, wie ich zuerst gedacht hatte. Der Blutfleck wuchs, dehnte sich aus.
Eisige Kälte ergriff mich, als ich eine zitternde Hand auf seinen
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