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Kay Susan

Titel: Kay Susan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Phantom
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abzunehmen. Aber nur für ein paar Sekunden, gerade genug, um die Leute zu schockieren. Bis zu diesem Augenblick bleibt mein Gesicht bedeckt, und die restliche Zeit gehört mir selbst, und ich kann tun, was ich will.«
»Sonst noch Wünsche?« Seine Stimme klang verächtlich, aber hinter seinen harten Augen regte sich etwas, das fast an grollenden Respekt gemahnte.
»Ich kann dich zwar zu Brei schlagen, aber ich kann dich nicht zum Singen zwingen – ist es das, was du mir zu verstehen geben willst, du kleiner Gauner?«
»Vielleicht«, sagte ich grimmig. »Zum Singen können Sie mich in der Tat nicht zwingen.« Wir starrten einander an wie argwöhnische Feinde, und nach einem Augenblick wies er mich mit einer abrupten Geste an, ihm zu seinem Zelt zu folgen. Er schritt quer über das Feld und widerstand der Versuchung, sich umzudrehen, um zu sehen, ob ich ihm folgte.
Für den Augenblick hatte ich gesiegt.
4. Kapitel
    So seltsam es scheinen mag – nachdem ich dieses kleine Maß an Freiheit gewonnen hatte, beschäftigte ich mich nicht länger mit Fluchtgedanken. Mein ganzes Leben lang war ich von der Außenwelt abgeschirmt worden, und ich war noch zu unwissend, um allein überleben zu können. Ich wollte in einigermaßen regelmäßigen Abständen essen und eine Art Dach über dem Kopf haben. Javert sorgte für die grundlegenden Lebensnotwendigkeiten, und ich beschloß, gehorsam an seiner Seite zu bleiben – ungefähr aus den gleichen Gründen, die einen streunenden Hund bei einem grausamen Herrn festhalten.
    Wanderschaft wurde zu einem festen Bestandteil meines Lebens, und ich lernte rasch, mir die angeborene Rastlosigkeit der Zigeuner zu eigen zu machen und ihre geheimnisvollen Bräuche zu übernehmen. Ich erkannte die Zeichen, die andere umherziehende Sippen hinterlassen hatten, Zeichen, die dem Blick des Uneingeweihten verborgen blieben. Birkenruten bedeuteten Gefahr; weiße Federn an einem Ast das Vorhandensein von Hühnern in der Gegend; Tannenzweige kündigten eine Hochzeit an. Ich war ein aufmerksamer Beobachter und bald mit den Sitten und Fertigkeiten der Zigeuner so vertraut wie jemand, der auf der Landstraße geboren ist.
    Nachdem sie entdeckt hatten, daß meine Augen sich besser als die einer Katze der Dunkelheit anpassen konnten, wurde ich in einen uralten »Zauber« eingeweiht. Im Zelt einer zahnlückigen Alten, die für ihre Kräuterkenntnisse berühmt war, lernte ich, einen Gifttrank zu bereiten, mit dem man ein Schwein töten konnte, ohne sein Blut zu vergiften. Und dann, in tiefster Nacht, wurde ich ausgeschickt, um mich in einen nahegelegenen Bauernhof zu schleichen und dieses Gift irgendeinem unglücklichen Tier zu verabreichen. Die meisten Zigeuner gehen nachts nicht auf Diebestour aus Angst, den Geistern der Toten zu begegnen, aber wie Javert mit betrunkenem Scharfsinn anmerkte, würden die Toten bestimmt nichts gegen meine Anwesenheit haben. Am nächsten Morgen, wenn der Bauer sich über den rätselhaften Tod seines Schweines wunderte, pflegte ein Mitglied der Sippe an seiner Tür zu erscheinen und um Nahrung zu betteln. Fast immer gab man ihm das tote Tier, da der Bauer es loswerden wollte, weil er fürchtete, sonst könnte unter seinem Vieh eine Seuche ausbrechen.
    Ich haßte diese Verfahrensweise und aß nie von dem von mir vergifteten Tier. Es wurde als eine meiner exzentrischen Angewohnheiten bekannt, daß ich lieber hungerte, als an einem derartigen Mahl teilzunehmen; und schließlich, als die Vorstellungen in meinem Zelt immer einträglicher wurden, weigerte ich mich, diese abscheuliche Aufgabe überhaupt noch zu übernehmen. Der Abend, an dem ich die Phiole mit dem Zaubermittel ins Lagerfeuer warf und der Sippe sagte, sie sollte sich in Zukunft ihr elendes Aas selbst besorgen, war ein seltsamer Wendepunkt. Niemand machte den Versuch, mich zu bestrafen, niemand schlug mich wegen meines Ungehorsams nieder. In diesem Augenblick erkannte ich plötzlich, daß ich eine gewisse Macht hatte.
    Macht!
Der Begriff gewann für mich immer mehr an Anziehungskraft, während ich meine Fähigkeiten als Bauchredner vervollkommnete und nachts lange wachsaß, um mir noch kompliziertere Zauberkunststücke auszudenken. Nachdem ich zwei Sommer mit den Zigeunern verbracht hatte, begann mein Ruf mir schon vorauszueilen, und infolgedessen wurde unsere Sippe ungewöhnlich wohlhabend. Ich bildete die Hauptattraktion auf jedem Jahrmarkt; die Leute gingen meilenweit, um meine Vorstellung zu sehen. Obwohl ich den

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