Kay Susan
bezahlen«, stammelte ich. »Bezahlen, um mich anzusehen?«
»Natürlich . . . In ein paar Wochen, wenn sich meine neue Attraktion herumgesprochen hat, werden sie vor diesem Käfig Schlange stehen.«
Eine Welle von Ekel überfiel mich, und ich mußte mich erbrechen.
»Verflucht!« sagte er gereizt. »Der größte Fund der Welt, und als was stellt er sich heraus? Als kotzendes Balg! Womit habe ich das nur verdient!«
3. Kapitel
So begann mein Leben als monströse Sehenswürdigkeit. Man fesselte mich mit Händen und Füßen an die Gitterstäbe des Käfigs, damit ich mein Gesicht nicht vor der neugierigen Menge verbergen konnte. Mein erstes Erscheinen war ein Desaster gewesen und hatte beinahe einen Aufstand ausgelöst, als die wütende Menge ihr Geld zurückforderte. Die Leute konnten nichts sehen, denn ich kauerte in einer Ecke, die Arme um den Kopf geschlungen. Sie behaupteten, sie seien betrogen worden, und Javert, der sein Geschäft in Gefahr sah, hatte sofort zwei Kerle in den Käfig geschickt, um mich zu fesseln.
Ich kreischte und trat und biß wie ein wildes Tier, aber mit der Kraft zweier ausgewachsener Männer vermochte ich es nicht aufzunehmen. Binnen weniger Augenblicke war ich mit ausgestreckten Armen an die Stäbe gebunden, damit ich mein Gesicht nicht mehr den Blicken entziehen konnte. Javert betrat den Käfig und band mir ein Seil um den Hals, so daß ich gezwungen war, den Kopf von der Brust zu heben. Als mein Schädel nach hinten gegen die Eisenstangen stieß, öffnete ich unwillkürlich die Augen und sah, wie Menschen in entsetztem Entzücken zurückwichen.
»Heilige Mutter Gottes!« schrie eine Frau und zerrte ein kreischendes Kind in den Schutz ihrer Röcke. »Nur fort von hier. Um Himmels willen, laßt uns durch!«
Die Menge wich ein wenig auseinander, damit sie das hysterische Kind wegführen konnte, doch andere Kinder hatten ebenfalls zu schreien begonnen, und ich konnte den Blick nicht von ihren offenen, verzerrten Mündern wenden. Es war, als sähe ich mich in einem Spiegel und erlebte mit ihnen das Entsetzen meines Anblicks. Aber kein Schrecken war zu vergleichen mit der brennenden Erniedrigung, der unsäglichen Demütigung dieser Zurschaustellung. Panik betäubte alle anderen Sinne, und ich begann, wie ein wildes, ungezähmtes Pferd an meinem Strick zu zerren und zu reißen, bis er mir in den Hals schnitt.
»Schaut!« schrie jemand. »Es will sich selbst erdrosseln.«
»Wie ekelhaft! Solche Sachen sollten nicht öffentlich gezeigt werden.«
Rasch machte sich neuer Widerwille in der Menge breit. Sie hatten gutes Geld bezahlt, um gekitzelt und unterhalten zu werden, nicht verwirrt und aus der Fassung gebracht. Meine elende Erscheinung beleidigte einige, und wieder war Javert mit wütenden Forderungen konfrontiert, das Eintrittsgeld zurückzuzahlen.
Mein Käfig wurde rasch außer Sicht geschafft. Ich weiß nicht, um wieviel Geld ich meinen Besitzer gebracht hatte, aber es reichte aus, damit er etwas später in rasender Wut in meinen Käfig kam. Er peitschte mich aus, weil ich seine Ausstellung verdorben hatte. In dem Moment, als gnädige Bewußtlosigkeit mich umfangen wollte, schnitt er mich von den Stäben ab und stand über mir, die Arme vor der Brust gekreuzt.
»Nun?« fragte er kalt. »Hast du jetzt gelernt, dich still zu verhalten, oder brauchst du noch eine Lektion?«
Ich lag zu seinen Füßen und starrte ungläubig auf die breiten Striemen, die sich auf meinen nackten Armen abzeichneten; mir schwindelte, und ich hatte Blut im Mund, weil ich mir auf die Zunge gebissen hatte. Aber in meinem Kopf gab es nur einen Gedanken, nur einen Wunsch . . .
»Geben Sie mir die Maske zurück«, flüsterte ich.
»Was?« Er starrte mich verständnislos an.
»Die Maske«, wiederholte ich benommen. »Geben Sie mir die Maske zurück . . . bitte!«
Plötzlich begann Javert zu lachen und schlug sich mit dem Peitschenstiel auf den dicken Schenkel. Dann beugte er sich vor und stach mit der Peitsche nach mir.
»So, jetzt hör mir mal gut zu, kleiner Leichnam. Niemand bezahlt dafür, eine dumme Maske zu sehen, aber die Hälfte der Frauen in Frankreich wird beim Anblick deines nackten Gesichts in Ohnmacht fallen. Selbst Don Juan hätte an einem Nachmittag nicht mehr Röcke anlocken können. Aber ich will dein verdammtes Geschrei nicht mehr hören, also sei gewarnt. Wenn du noch einmal die Kunden vertreibst wie heute, dann hast du schlechte Aussichten. Ich werde dir jeden Fetzen Haut von deinem Kadaver
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