Kayankaya 4 - Kismet
hört so einiges aus Berlin.«
»Berlin? Biste blöde? Bei uns inne Heimat. Bißchen Bildung, du Penner! Wat gloobste, wat die scheiß Moslems bei uns sind? Ooch allet Kemal Kackes.«
»Ach so.« Ich versuchte ein aufgeschlossenes Gesicht zu machen. »Interessant, was in Kroatien alles für Dialekte gesprochen werden.«
»Jetz passe Se mal uff«, sagte der Wirt und trat in die kleine Runde über mir. »Sie hawwe sisch net besonnärs freundlisch benomme hier bei uns. Sie hawwe unsän Presidende beleidischt un sisch iwwer unsä Land lustisch gemacht. Isch waas net, warum, mir sin friedlische Leut, un mir hawwe Ihne nix getan. Ehrlisch gesacht hätt isch gude Lust, Ihne bissi Anstand beibringe zu lasse - awwer Schwamm driwwer. Sie könne jetz gehe, isch saach Ihne nur soviel: Wenn Sie noch emal hier ufftauche, werde Sie mit Wehmut an den heutische Tach zurückdenke, wie hibsch Ihne Ihre Fress da gewese war. Hawwe merr uns verstanne?«
»Und wie.«
Der Wirt guckte mir noch ein bißchen in die Augen, als sei er über die Entscheidung, mich laufenzulassen, nicht gerade froh, doch schließlich gab er den Berlinern einen Wink und verschwand hinter der Theke. Kniekehlenfachmann schaute enttäuscht.
»Hat dit Schwein aba Schwein jehabt«, sagte er und konnte sich nicht verkneifen, mich noch mal spüren zu lassen, wie schnell mein Kehlkopf hinüber wäre, wenn er nur wollte. Endlich nahm er den Fuß von mir.
Ich brauchte eine Weile, bis ich auf die Beine kam und ihm zur Theke folgen konnte. Als wäre die letzten zehn Minuten nichts weiter passiert, stand er lässig da und sah zu, wie ihm der Küchengehilfe ein Bier zapfte.
»Meine Pistole, bitte.«
Er drehte langsam den Kopf und schaute verblüfft. »Wat’n für ‘ne Pistole?« Und zu seinem Kumpel neben ihm: »Hatta Phantasien, wa? Imma voll mit Kiff die Jungs.«
»Na, Bier dürfense ja nich. Messastechn, Weiba vakloppm und dit scheiß Drogenzeuch, dit dürfense. Aber ‘n jeflechtet Bier, dit is nich drin bei Allah.«
Sie betrachteten mich genüßlich.
Ich stützte mich mit beiden Armen auf einen Barhocker, um die Knie zu entlasten, und sah erschöpft zu Boden. Während der Fuß auf meinem Hals gestanden hatte, war für Schmerzen kein Platz gewesen. Jetzt eroberten sie zügig alle in den letzten zehn Minuten mißhandelten Stellen. Ich seufzte. »Das Ding ist registriert, wenn ich’s verliere, muß ich’s melden und sagen, wo und wann. Mit ‘ner Lüge riskiere ich meinen Job, und das mach ich nicht für euch. Also entweder ihr bringt mich nun doch noch um, oder ihr rückt meine Pistole raus, oder morgen ist der Laden voll mit Polizei.«
Ich sah weiter zu Boden, fummelte mir eine Zigarette aus der Tasche, steckte sie an und wartete, wofür sie sich entschieden. Inzwischen tat alles so weh, daß es mir fast gleich war. Nur angucken wollte ich sie nicht mehr. Höchstens, wenn ich sie erschoß.
»Des Magazin raus, und dann gebt ihm die Balläbüx, dasser endlisch fottmacht!«
Kurz darauf plumpste etwas in meine Sakkotasche. Ohne mich noch mal umzudrehen, wankte ich zur Tür hinaus.
11
Ich saß im Auto schräg gegenüber vom >Adria-Grill< und wartete - rauchte, hörte Radio, dämmerte vor mich hin. Mein Gesicht pochte, meine Schultern brannten, und wenn ich die Knie bewegte, schien irgendwas in ihnen kurz vorm Zerreißen. Von Zeit zu Zeit döste ich ein, um kurz darauf aus Fieberträumen hochzuschrecken. Meistens ging es um Kämpfe. Einmal rannten mit bunten Federn und goldenen Hemden kostümierte Hundertschaften wie aus einem Historienfilm gegeneinander an und stachen und hackten sich mit Speeren und Schwertern in Stücke. Überall floß Blut und lagen Köpfe, und aus dem umliegenden Wald dröhnte Techno-Musik. Mitten im Gemetzel glühte ein Augenpaar, das nicht aufhörte, mich anzugucken, obwohl der dazugehörige Körper schon lange tot war. Als einziger besaß ich eine Schußwaffe, aber sie gehorchte mir nicht. Wenn ich sie sicherte, schoß sie wild um sich, und wenn ich sie entsicherte und abdrückte, machte sie klick. Dann wurde die Techno-Musik immer lauter, verwandelte sich in ein ohrenbetäubendes Knattern, und ich wachte auf. Das Knattern kam aus dem Radio. Der Sender war verrutscht.
Kurz vor eins ging hinter den Häkeldecken endlich das Licht aus. Ich rieb mir die Stirn, steckte mir eine Zigarette an und vergewisserte mich noch mal, das Ersatzmagazin in die Pistole geschoben zu haben.
Zehn Minuten später traten der Wirt und seine
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