Kayankaya 4 - Kismet
aus Versehen etwas rausrutschte.
Konnte ich nicht. Noch ehe mein an alle gerichteter Satz »Es gibt zur Zeit in Frankfurt eine Schutzgelderpresserbande, die sich Armee der Vernunft nennt…« verklungen war, sprang die Tür hinter mir auf, und im selben Moment packten mich mehrere Hände, rissen mich von den Füßen und rammten mich kopfüber gegen die Theke. Es tat einen gewaltigen Schlag, und für ein paar Sekunden war mir schwarz vor Augen. Als es wieder hell wurde und ich meine Arme hinter den Rücken gebogen spürte, dachte ich zuerst an meine Pistole. Sie war ungefähr zehntausend Kilometer weit weg in meiner Hosentasche. Als zweites fiel mir ein, wie sich im hinteren Teil des Saals etwas bewegt hatte. Sie mußten durch eine zweite Tür und außen rumgegangen sein. Als drittes stellte ich erleichtert fest, daß meine Nase dem Aufprall entgangen war. Schließlich erkannte ich links und rechts neben mir die bunten Sportanzüge.
»Herr Wirt, wat solin wa mit dit Schwein machen?«
Berliner. Hatten die jetzt überall ihre Finger drin? Ich drehte den Kopf, bis ich dem einen Kahlgeschorenen in die versoffenen Augen gucken konnte. »Der charmante Ton, die gelenke Formulierung, man merkt doch gleich: Besuch aus der Hauptstadt.«
»Klappe halten!« fuhr er mich an und trat mir in die Kniekehlen.
»Isch tat gern wisse, wer er is«, sagte der Wirt und klang jetzt wieder so gelassen und freundlich wie bei meiner Ankunft. Ich hatte ihn eindeutig unterschätzt.
Während die Kahlgeschorenen meine Taschen durchsuchten, verließen einige Gäste stumm die Wirtschaft. Der Rest verfolgte das Spektakel interessiert. Manche steckten sich Zigaretten an, andere nippten am Bier. Der einzige im Saal, dem die Situation unangenehm zu sein schien, der aber nicht weggehen konnte, war der Küchengehilfe. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er nervös mit Bierdeckeln rumspielte und immer wieder den Kopf abwandte.
»Dit Schwein hat ‘ne Knarre!« rief der eine und knallte mir noch mal seinen Absatz in die Kniekehlen. Offenbar war er darin geübt, was und wie er treffen mußte. Noch ein paar Tritte, und ich hätte mir vielleicht sogar gewünscht, er würde mir zur Abwechslung mal ins Gesicht schlagen.
Er hielt mir die Pistole vors Gesicht. »Was is dit, na, was is dit?!«
»Pistole, Pistole.«
»Ick hab’s«, rief der andere und wedelte stolz mit meiner Brieftasche. Während der Kniekehlenfachmann mich festhielt, besah der, dem es Triumphgefühle bescherte, eine Brieftasche in einer Sakkoinnentasche gefunden zu haben, meine Papiere.
»Kemal Ka… ka… Wat solln dit für ‘n Name sein? Kaka… Kacke, sach ick! Kemal Kacke!« Er lachte, hielt seinem Kumpel den Ausweis hin, dann lachten beide. »Kemal Kacke! Dit is jut!«
»Warum so kompliziert, Jungs? Warum Kemal? Warum nicht einfach Kacke Kacke?«
»Klappe halten, ha ick jesacht!«
Diesmal knickte mir sein Tritt die Beine weg, und für einen Moment hing ich an meinen auf den Rücken gedrehten Armen in der Luft. Ich glaubte es knacken zu hören. Als ich aufschrie, ließen sie mich fallen, traten mich in die Seite, damit ich auf dem Rücken landete, und Kniekehlenfachmann stellte mir seinen Fuß auf den Hals. Meine Pistole in seiner Hand baumelte über mir.
»Noch so ‘n scheiß Spruch, und ick mach da alle.«
Ich schloß kurz die Augen zum Zeichen, daß ich verstanden hätte. Währenddessen verließen weitere Gäste das Lokal. Ob sie sich dachten, die Show steigere sich kontinuierlich und, was ab jetzt käme, würde ihnen zu unappetitlich? Ich verdrehte die Augen zum Zapfhahn. Der Küchengehilfe hatte aufgehört, mit Bierdeckeln zu spielen, und starrte mit zusammengebissenen Zähnen vor sich hin. Wenn es so weiterginge, war er meine einzige Hoffnung. Ich bewegte unauffällig die Arme. Soweit ich spüren konnte, hatte ich mir das Knacken eingebildet.
»Biste also Türke, wa?«
»Frankfurter.«
»Ick hab jesacht, keene scheiß Sprüche!«
Der Druck auf meinen Hals erhöhte sich.
»Ich dachte, der Wirt will wissen, wer ich bin«, röchelte ich, »und keine Theorien.«
Kniekehlenfachmann runzelte die Stirn. »Wat soll’n ditte jetz?«
Ehe ich antworten konnte, schob sich sein Kumpel über mir ins Bild: »Wir ham och Türken bei uns…« Er grinste auf mich herunter. »… Hab zwee Jahre jegen die Schweine jekämpft.« Er spreizte die Finger einer Hand und ließ sie auf und ab wippen. »Zähl mit, Alta. Soviel ha ick abjemurkst. Eener mehr macht ma jaa nischt.«
»Ja, man
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